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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett
Autoren: Monica Dickens
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verspüren. Sein Bett war in die Fensternische eingebaut und füllte sie voll aus wie eine sehr breite Fensterbank. Durch das Fenster zu seinen Füßen konnte er, halb verdeckt durch das hohe Schutzgestell, das das Bettzeug von seinem Bein fernhalten sollte, die Ulmenreihe an der westlichen Grenze ihres Landbesitzes sehen; ihre runden Wipfel waren wie Wolkenmassen geformt. In dem Raum zwischen den Ulmen und der wie eine Schildwache anmutenden Pappel in Freds Garten hatte die untergehende Sonne einen fahlgrünen Streifen gezogen. Schwester Sanderson hatte oft Bemerkungen darüber fallenlassen, wie unbequem für eine Pflege sein Bett stünde, aber Oliver hatte bei seiner Heimkehr energisch darauf bestanden, daß es so und nicht anders stehen sollte. Seine Mutter hatte schließlich nachgegeben und zu Sandy gesagt, sie müsse sich damit abfinden, und das würde sie auch der neuen Pflegerin sagen. Vielleicht sollte sie es ihr besser gleich sagen, ehe sie die Gelegenheit fand, sich darüber zu beschweren. Mrs. North liebte es sehr, als erste das Wort zu ergreifen.
    Oliver hoffte, die neue Schwester würde morgen nicht so spät kommen. Er schätzte die Pflege seiner Mutter oder seiner Schwestern nicht sehr. Sie taten ihm meist weh, weil sie vor dem Berühren noch mehr Angst hatten als er.
    Plötzlich schrie eine Eule, und Olivers Zehen zuckten. Würden sie denn niemals aufhören zu rucken und zu zucken und heiß und kalt zu werden? Hörten sie wirklich einmal damit auf, so wäre es mit dem größten Anziehungspunkt für den kleinen David vorbei, und er würde ihn kaum noch so oft besuchen. Ein Onkel, der keine Zehen hatte und sie doch noch spürte, war eben zu aufregend.

ZWEITES KAPITEL
     
     
    E lisabeth Gray traf vor dem Lunch ein. Oliver sah sie von seinem Bettfenster aus. Mrs. North hatte sie aus dem Wohnzimmer heraus- und die Steinstufen hinabgeführt, die die beiden Rasenteile hinter dem Haus verbanden, und ging mit ihr durch den Garten. Bald würde sie sie hereinführen und ihr Oliver zeigen, so wie sie ihr jetzt den Rosengarten zeigte und den vernachlässigten Tennisplatz und das Spalierobst und die Hereforder Kühe in der Senkung unter der Echowand und die Baumgruppe auf dem Hügel, den einst ein römisches Lager gekrönt hatte.
    Gott sei Lob und Dank, das Mädel schien nicht in einer Schwesterntracht um ihn herumrauschen zu wollen. Sandy hatte ein malvenblaues Kleid getragen, steif wie eine Wandkarte, mit einer gestreiften Schürze, die von einem Gurt mit einer riesigen Schnalle festgehalten wurde. Sie sah darin aus wie ein Burgfräulein und trug eine viel zu große Haube, die ihr vom Kopf flog, sobald sie sich an einem windigen Tag hinauswagte. Elisabeth dagegen trug eine weiße Kittelschürze mit einem halben Gürtel, der ihre schmale Taille betonte, helle Strümpfe und eine schmucke kleine amerikanische Haube hinten auf ihrem hellen Haar. Oliver stellte fest, daß seine Mutter ihr zweitbestes Korsett trug. Unter dem grauen Jersey-Kostüm hätte sie vorteilhafter ihr bestes anziehen sollen, aber das hob sie für besondere gesellschaftliche Ereignisse auf. Sie hatte ein knallrot und grün gemustertes Tuch unter ihrem Kinn zu einem bauschigen Knoten gebunden, und ihre dicken Beine in grauen Seidenstrümpfen steckten wie stramme Baumstämme in Krokodillederschuhen mit hohen Absätzen, die tiefe Spuren in dem feuchten Rasen hinterließen. Nach fünfzehn Jahren hatte sie sich dem Landleben so wenig wie ein Wochenendgast angepaßt. Er überlegte einen Augenblick, ob er ihr nicht zurufen sollte, sie möchte das Mädel ans Fenster führen und es ihm vorstellen, entschloß sich aber dann doch, ihr nicht das Vergnügen zu verderben, alles in der richtigen Reihenfolge zu tun. Sie würde eine kleine Zeremonie daraus machen, wenn sie Elisabeth hereinbrächte. Sie würde sie an der Hand heranführen und sagen: »Das ist deine neue Pflegerin. Und das ist mein Sohn — Oliver, um den Sie sich an meiner Stelle kümmern sollen.« Wahrscheinlich hatte sie sich das gestern abend beim Frisieren so ausgedacht. Das war die Zeit, in der die meisten ihrer Pläne geboren wurden und in der sie ihre Umgebung »Revue passieren ließ«, wie sie es im stillen nannte. Oftmals kam sie nach dem Gutenachtkuß noch einmal in ihrem gesteppten Satin-Morgenrock zu ihm herein, mit einem Kamm in der Hand, die Haare flach an den Kopf gesteckt, und erzählte ihm irgend etwas, worüber sie gerade nachgedacht hatte. Er blickte dann von seinem Buch auf,
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