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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett
Autoren: Monica Dickens
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blauen Band in ihrem Spinnwebhaar. »Oh, Verzeihung«, keuchte sie, »ich dachte, ich hätte die Glocke vom Herrn Major gehört.«
    »Da haben Sie sich aber Zeit gelassen«, sagte Mrs. North und fand sofort ihre Selbstsicherheit wieder, als es sich um die Notwendigkeit handelte, einer Unbotmäßigkeit energisch entgegenzutreten. »Es tut mir leid, ich läutete aus Versehen. Schon gut; er wünscht nichts.« Mrs. Cowlin blinzelte, zog ihren Kopf zurück und machte die Tür so geschickt zu, daß sie im nächsten Moment wieder aufsprang.
    Mrs. North ließ ein ungeduldiges Schnalzen hören. »Wenn ihr Mann nicht wäre, der wirklich sehr ordentlich ist, ich glaube, ich könnte es nicht mehr lange mit dieser alten Hexe aushalten.«
    Sie gebrauchte tatsächlich manchmal auch solche Ausdrücke wie »Hexe«. — »Außerdem würden wir niemand anderes bekommen, und sie nörgelt nie, wenn man ihr etwas sagt; von dem schmierigen Abwaschtisch scheint sie sich überhaupt nicht trennen zu können. Dabei fällt mir ein, ich muß schnell einmal nachsehen, was sie wieder zerschlagen hat, ich habe vorhin ein ohrenbetäubendes Geklirr gehört.« Sie beugte sich zu einem Kuß herunter und duftete dabei nach Gesichtscreme und türkischen Zigaretten. »Lies nicht so lange«, wiederholte sie. »Denk daran, daß du morgen einen anstrengenden Tag hast.«
    Einen anstrengenden Tag? Ach ja, natürlich, seine neue Pflegerin kommt morgen.
    »Ich bin neugierig, wie sie ist. Ich wette, sie ist noch häßlicher als die alte Sandy.«
    »Wenn sie nur halb so tüchtig ist, habe ich nichts dagegen«, sagte seine Mutter. »Jedenfalls fand Hugo sie sehr ordentlich, als er sie in der Stadt gesehen hat.«
    »Wenn sie aufdringlich und neckisch ist und >Hinterpartie hoch< sagt, wenn sie meinen Rücken einreiben will, feuere ich sie ‘raus«, sagte Oliver.
    »Ja, natürlich, Liebling«, sagte seine Mutter nachgiebig. Es war nicht gut, wenn er sich vor dem Einschlafen zu sehr aufregte. Sie wandte sich zur Tür. »Nochmals gute Nacht, und — du wirst läuten, wenn du nicht schlafen kannst, ja?«
    »Darauf kannst du wetten!« grinste Oliver. »Und hör mal zu«, rief er hinter ihr her, als sie die Tür aufmachte, »vergiß nicht, daß die neue Pflegerin ebenso für dich wie für mich da ist. Ich brauche sie jedenfalls kaum noch, es ist überhaupt lächerlich, daß wieder eine kommen soll.«
    »Aber Oliver«, seine Mutter blieb in der Tür stehen, und das Licht aus der Halle zeichnete ihre Silhouette, »sei doch nicht so. Natürlich soll sie im Haushalt helfen, das weiß sie auch, aber erst dann, wenn sie dich versorgt hat. Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe: Du bist die wichtigste Person in diesem Hause — und sie soll das genau wissen«, fügte sie grimmig hinzu, als sie hinausging.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da Olivers Hang zur Selbstbemitleidung und zu einer krankhaften Verschlossenheit sich an solchen Bemerkungen genährt hatte. Jetzt ärgerten sie ihn nur. Es war das gleiche wie mit der Glocke. Er haßte sie, weil sie seine Abhängigkeit betonte. Wenn er etwas wollte, so zögerte er das Läuten so lange wie möglich hinaus; falls wirklich niemand zufällig hereinkam und ihm nichts anderes übrigblieb, als zu läuten, stellte er sich jedesmal vor, wie seine Leute irritiert von ihrer Beschäftigung aufsahen und den Ausdruck »was will er nun schon wieder« auf dem Wege zu seinem Zimmer zu unterdrücken versuchten.
    Als er das Licht ausmachte, schien der Duft des nächtlichen Landes draußen stärker zu werden. Eigenartig, wie beim ersten Atemzuge im Dunkeln diese Duftwelle von Bäumen und Blumen herüberkam.
    Selbst in London war es so. Er konnte sich erinnern, daß er als Junge in dem Haus, das sie nach ihrer Rückkehr aus Amerika bewohnten, oft am Fenster seines schmalen kleinen Zimmers gestanden hatte, nachdem er das Licht ausgemacht hatte, um den Duft der rußigen Rinde und der bitteren Blätter der unter dem Gaslicht schimmernden Platane einzuatmen.
    Sein Bett stand in gleicher Höhe mit dem Fensterbrett, so daß er selbst dann, wenn er entgegen der Verordnung, möglichst eingepackt zu schlafen, zwei seiner Kopfkissen aus dem Bett geworfen hatte, durch das offene Fenster gucken konnte. Heute schien kein Mond, und der bucklige Hügel auf der gegenüberliegenden Wiese mit den schirmförmigen Eichen und Buchen auf dem Gipfel hob sich dunkel vom Himmel ab.
    Sein Zimmer lag zu ebener Erde. Er konnte den Duft des etwas tiefer liegenden Rasens
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