Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
Vom Netzwerk:
untersuchen.

    Die ‘Val de Loire’ nimmt uns mit nach Roscoff in der Bretagne. Die ‘Duchess Anne’ wollte uns nicht, das dritte Schiff der französischen Linie ist nach der wilden Halbinsel ‘Quiberon’ im Süden der Bretagne benannt.
    Bevor wir an Bord gehen können, scheint die halbe Bretagne auszusteigen und nach Irland zu wollen. Das verstehe, wer will. Spätestens morgen wird das nächste Tief Wasserwolken-berge heranschleppen und der Wetterdienst Temperaturen um 15 Grad ankündigen. Oder 16 Grad, oder gar 17? Mehr zeigen die irischen Thermometer, glaube ich, nicht an.
    Wie dem auch sei, jetzt ist es sonnig, wir steigen an Bord, haben irgendwann unten im Bauch des Schiffes unsere Räder angebunden und irgendwann noch tiefer, auf der vierzehnten Sohle oder auch Bilge genannt,kurz über dem Kielschwein, unsere Kabine gefunden.
    Wir befinden uns ziemlich tief unter der Wasserlinie. Die Kabinenfenster sind angemalt, statt der Gardinen gibt es Landschafts-Aquarelle zu sehen .
    »Hier unten schaukelt es genau so wie oben am Schornstein, nur entgegengesetzt .«
    Das tröstet Ilse kaum, die sehr ungern mit Schiffen fährt und daher Pillen gegen Reisekrankheit eingenommen hat. Warum sie dennoch häufig Urlaub in Ländern macht, die man nur mit Schiffen oder Flugzeugen — oh, nein, fliegen tut sie gar nicht — erreichen kann, ist nicht ganz klar. Sie läßt auch kaum eine Fähre aus, schippert lieber bei Orsoy über den Rhein anstatt eine anständige Brücke bei Duisburg-Ruhrort zu nehmen. Und über den Shannon mußten wir ja auch mit Kiel und Reling, um den Weg abzukürzen.
    Die armseligen Pillen gegen die angebliche Seekrankheit, die sie noch nie gekriegt hat, ich kann es bezeugen, schluckt sie mit einem ordentlichen Pint Guinness hinunter.
    Sie nennt das: Ich muß meine Medizin nehmen.
    »Heute abend noch ‘mal, erinnere mich bitte daran !«
    Sie weigert sich, mir den Beipackzettel des Medikamentes zu zeigen, so kann ich nicht nachprüfen, ob als Kontraindikation vielleicht der Genuß von Bitter Beer oder Stout untersagt ist. Na, und ob ich sie ans Einnehmen erinnere. Zur Vorsicht trinke ich jedesmal ein Pint mit, die Pillen lasse ich weg. Mutig und optimistisch haben wir den ‘Sac Mal de Mer’, den ‘Sea Sickness Bag’, das berüchtigte Tütchen, in unserer Kabine gelassen.
    Wir sind auf einer französischen Fähre. Im ‘Café du Port’ werden wir mit Salade Niçoise, eisgekühlter Melone, Paella, Eis-Sahne-Sorbet und einem Krug herben Rotweins verwöhnt.
    Ilses Äuglein glänzen.
    Die See ist ziemlich ruhig, Windstärke vier, schätze ich, die Sonne ist verschwunden, wir schippern durch die übliche Kanalsuppe.
    Zum Medizineinnehmen lassen wir uns nach dem Essen in der Bar nieder, räkeln uns in tiefen Ledersesseln. Auf einem weißen Steinway-Flügel spielt eine junge, blonde Pianistin leise Unterhaltungsmusik, das Schiff wiegt sich sanft, es ist als ob wir träumten. Reisen ist träumen...
    Ilse liest ‘Three men in a boat’, ‘Drei Mann in einem Boot’, von Jerome K. Jerome, was in bestimmten Abständen mit lautstarken Heiterkeitsausbrüchen verbunden ist.
    Die blonde Barpianistin bleibt stecken, fängt sich, spielt ‘Michelle’ von den Beatles. ‘Unser Lied’ von Quiberon, damals, ja damals, es ist als ob wir träumten. Zurück zu den drei Männern im Boot. Abgesehen davon, daß es sich um einen englischen Autor und um eine Bootsfahrt auf der Themse handelt, außerdem noch ein Hund mit an Bord ist, kann man sich mit Hilfe des tiefgründigen englischen Humors gut auf den irischen einstellen, der zum Beispiel in ‘Der dritte Polizist’ von Flann O’Brien eine noch größere, fast makabre Tiefe erreicht. Ich frage mich, warum sie (Ilse) wohl so etwas Maritimes liest, obwohl sie doch mit der Schiffahrt lieber nichts zu tun haben will. Schon zweimal hat sie heute abend gesagt, daß ihr auf dem Schiff jemand bekannt vorgekommen ist.
    Ob sie die Strecke öfter fährt?
    Energisch streitet sie das ab.
    Ich habe nichts gesagt, nur gedacht.
    Das blonde Gift am Klavier ist verschwunden, einer der Passagiere versucht sich an den Tasten mit einem Blues. Vielleicht fliegen wir demnächst mal nach Irland. Wir haben uns gestern auf dem Airport Cork, direkt unterhalb unseres Campingplatzes, angesehen, wie einfach das geht. Und schnell! In vierzehn Stunden nach Rio, anstelle nach Roscoff.
    »Was w ills t du denn in Südamerika ?« fragt Ilse plötzlich.
    Habe ich etwas gesagt?
    Der Mann am Klavier spielt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher