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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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Verheiratung galt im Wertesystem der Jugendlichen aus Dr. Freudenbergers Wahlkreis nicht als Schwäche oder gar als Loserimage, sondern vielmehr als eine Eigenschaft ausgemachter charakterlicher Stärke. Und das stand dem Sohn eines Abgeordneten eben ganz gut zu Gesicht.
    So gesehen war die Situation hier im Internat vielleicht für ihn doch nicht so ganz schlecht. Denn hier hatte keiner der Jugendlichen eine Freundin vor Ort. Das Liebensleben in dieser Hinsicht, so es denn eines gab, fand dann größtenteils in den Ferien zuhause oder im Urlaubsdomizil statt.
    Aber dennoch war es mehr als nur fraglich, ob Florian diesem Druck, der mit dem brutalen Zwang zur Selbstverleugnung einherging, bis zum Ende seiner Schulzeit hier überhaupt Stand halten würde. Denn Dr. Freudenberger war ein reiner Berufspolitiker. Er hatte zwar einen Doktortitel, aber eben kein zweites Staatsexamen. Würde ihn seine Partei fallen lassen, könnte er dann eben nicht ganz einfach bequem wieder als Anwalt arbeiten, oder wieder in den öffentlichen Dienst zurückkehren. Seine Karriere wäre beendet. Und es wäre überhaupt gar keine Frage, dass er dann seinen missratenen Sohn dafür die Schuld geben würde.
     
    »Aber das sind doch ganz normale Dinge, die Jugendliche in unserem Alter einfach so machen«, jammerte Florian dann und blickte hinunter auf seine Pornoheftchen. »Die anderen in meiner Gruppe machen das doch auch, fast alle abends immer mit Licht aus.«
    Buch: »Das ist doch keine Entschuldigung! Du weißt doch nur zu genau, dass solche üblen Heftchen hier keinesfalls geduldet werden. Mein Gott, Junge. Wenn wir dich wenigstens, wie bei den anderen Jugendlichen üblich, mit ein paar Magazinen voll von knackigen nackigen Weibern erwischt hätten. Dann könnte man ja vielleicht noch Verständnis dafür aufbringen. Man war schließlich selber ja auch mal jung. Aber dieses ganze widerwärtige, abnormale Zeug hier? Wie krank bist du eigentlich? Will denn überhaupt noch jemand mit so einem abartigen Perversen wie dir in derselben Gruppe wohnen?«
    Jetzt weinte Florian hemmungslos. Offenbar hatte Buch nun bei ihm einen ganz wunden Punkt getroffen. Etwas aus Florians privatestem Innersten plötzlich ohne dessen Willen ganz nach außen gekehrt.
    »Bitte Herr Buch. Erzählen Sie es nicht weiter rum. Bitte. In meiner Gruppe weiß es von den anderen Jungs noch keiner. Und meine Eltern wissen es auch nicht. Bitte Herr Buch, schreiben sie doch einfach bloß Pornohefte im Bericht? Ja? Bitte! Ich will das alles ja gar nicht. Ich will so ja gar nicht sein.«
    Dann sank Florian flehentlich wimmernd auf seine Knie. Dabei schien er sogar bei all seinem ganzen Unglück immer noch verdammtes Glück gehabt zu haben, dass am dem Tag, an dem seine Hefte gefunden worden waren, ausgerechnet Herr Buch selbst in Florians Gruppe die Zimmerkontrolle durchgeführt hatte. Diese Durchsuchungen wurden aus guten Gründen immer von Personen vorgenommen, die mit der betreffenden Gruppe nicht direkt etwas zu tun hatten. Also keinesfalls vom Erzieher der Gruppe selbst oder vom Klassenlehrer, die in so einem Fall grundsätzlich als befangen galten. Da Herr Buch aber überwiegend in der Mittelstufe unterrichtete, wurde er daher regelmäßig für die Kontrolle in den Gruppen Eins bis Acht der Oberstufenschüler ausgelost. Die Einzelheiten würden zusammen mit seinem Bericht über die Bestrafungen dann aber erst am kommenden Montag der Direktion vorliegen.
    Triumphierend zwinkerte Buch mir zu. Das waren genau die Situationen, die er so am Lehrerberuf liebte. Der flennende Junge winselte nackt auf dem Boden vor seinem Schreibtisch um Gnade und war ihm nun auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es war so erbärmlich. Dennoch faszinierte mich in diesem Moment dieses Gefühl der Macht über andere. Es war etwas so vollkommen Neues für mich. Es prickelte regelrecht in mir.
    »Ja. Mm? Ich glaube, da müssen wir erst mal Herrn Bauer fragen? Herr Bauer?«
    Ich blickte hinunter auf mein Klemmbrett.

 
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    Schüler: Florian Freudenberger
    Geburtsdatum : 15. Februar 1978
    Aktuelles Alter: Achtzehn Jahre
    Gruppe : Vier
    Klasse: 11b (Herr Zimpel)
    FSF: Englisch-Französisch.
    Verfehlung: Besitz drei Hefte Schwulenporno (jugendgefährdende Hardcoreausgaben; absolut widerlich)
    Verfehlung gemeldet von: Hr. Buch
    Anlass: (Turnusmäßige Zimmerkontrolle, Gruppe Vier )
     
    Identifiziert:
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    Bestraft:
    Strafe:
     
    Datum:
    Unterschrift1:
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