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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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vorderes Anhängsel schien im Moment weitaus besser durchblutet zu sein, als es der derzeitigen Situation eigentlich angemessen war. Er hatte gerade absolut keine Kontrolle über diesen sehr wichtigen Teil seines robusten und athletischen Körpers. Das Ganze schien fast schon wie eine eigenmächtige, völlig paradoxe Reaktion seines Körpers auf die augenblickliche, für ihn so völlig ungewohnte Stresssituation zu sein.
    Florian sagte nichts und starrte auf den Boden. Selbst für zwischenzeitlich volljährig werdende Schüler galten weiter und uneingeschränkt bis zum Abitur alle vertraglichen Bestimmungen, die die Eltern damals beim Aufnahmegespräch unterzeichnet hatten. Der einzelne Jugendliche musste dies durch eine Unterschrift an seinem achtzehnten Geburtstag bestätigen oder er musste die Schule verlassen. Natürlich hatte auch Florian unterschrieben. Ohne viel nachzudenken. Reine Routine, hatte man ihm versichert.
    »Nuuuuun ? Warum sollst du also heute bestraft werden ??«
    Keine Reaktion. Florian guckte weiter auf den Boden. Er wusste es wohl im Moment wirklich selbst nicht so genau.
    Buch holte aus seinem Aktenkoffer drei mehr als eindeutige Magazine mit splitternackten Männern und warf sie Florian vor seine bloßen Füße.
    »Weil du uns so ein Zeug hier anschleppst !«
    Florian wurde knallrot. Viel, viel schlimmer noch als Dominik vorhin. Mein Gott, ich hatte ja nicht den leisesten Schimmer gehabt. Jetzt verstand ich. Die ganzen anderen Jugendlichen, die sich vorher auf Buchs Befehl dort draußen auf dem Flur hatten komplett ausziehen müssen und Florian mitten unter ihnen … Und Buch hatte es genau gewusst, was mit Florian los war. Mein Gott, der arme Junge, was machte man hier denn nur mit ihm? Ich hätte kotzen können. Aber ich nahm mich zusammen. Ich musste die ganze Situation hier jetzt professionell meistern. Ich wollte schließlich ja auch mal Lehrer werden. Man durfte sich dabei nicht von Gefühlen leiten lassen.
    »Wie oft guckst du dir so was an ?«
    »Drei oder vier mal.«
    »Was, am Tag, in der Woche, im Monat ??«
    »Am Tag.«
    »Und was machst du dann ?«
    »Ich… Ich mach Selbstbefriedigung damit«, flüsterte Florian, ohne vom Boden aufzuschauen.
    »Wie bitte ? Du sprichst so leise, ich kann dich ja sogar mit meinem neuen Hörgerät kaum verstehen. Wie war das? Wozu brauchst du das Zeug?«
    »ICH MACH SELBSTBEFRIEDIGUNG DAMIT !« brüllte Florian nun völlig verzweifelt durch Buchs Büro und zwar so laut, dass die restlichen der draußen immer noch auf dem Flur wartenden Jungs es gar nicht überhören konnten. Dabei schossen ihm die Tränen in seine Augen. »MANN, ICH MACH SELBSTBEFRIEDIGUNG DAMT. OKAY? SELBST----BE----FRIE----DI----GUNG !«
    »AHA«, donnerte Buch nun, »aber deswegen braucht du hier doch nicht gleich so herum zu schreien.«
    Florian heulte jetzt leise vor sich hin.
    »Naaaaa, und das willst du jetzt alles immer noch genauso deinem Vater so erzählen, ja ?«
    Wortlos schüttelte Florian zunächst schluchzend seinen Kopf.
     
    In der damaligen Zeit war es noch völlig undenkbar, hier im Internat und auch im Wahlkreis seines Vaters offen mit einer derartigen Orientierung umzugehen. Dr. Freudenberger hätte sein Mandat augenblicklich zur Verfügung stellen müssen, wenn herausgekommen wäre, dass er einen seine Veranlagung aufrichtig bejahenden schwulen Sohn gehabt hätte. Das hätten die Leute in seinem ländlichen, strikt konservativen Umfeld zu dieser Zeit niemals mitgetragen. Er hätte damit eben in seiner Rolle als Vater versagt und müsste weg! Punkt aus. Häufig wurden solche Dinge in der Heimatregion der Freudenbergers dann von der dort schon immer extrem erfolglosen SPD auch geschickt und anonym einem Provinzjournalisten zugespielt, um sich dann selbst danach über die Verlogenheit der intoleranten, so genannten Parteifreunde von Dr. Freudenberger empört und entsetzt zeigen zu können.
    Der Druck unter dem Florian hier stand war infolgedessen enorm. Er musste also gegen sich selbst knallhart sein, seine Rolle perfekt spielen, bei sich zuhause und hier im Internat. Bei sich daheim musste er dann sogar jedes Jahr immer wieder aufs neue zusammen mit einem Mädchen aufs Obstwiesenfest gehen und dort womöglich gar auch noch öffentlich mit ihr herum knutschen, damit nur ja keine Gerüchte aufkamen. Aber immerhin musste er dann wenigstens nicht gegen all seine inneren Empfindungen auch noch mit ihr herumvögeln. Eine gewisse Zurückhaltung in diesen Dingen vor der
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