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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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mit Nicki darauf verständigt, dass wir uns an diesem Tag nicht besonders extra voneinander verabschiedeten. Beim Mittagessen war ich nochmals ganz normal zwischen ihm und Andi gesessen. Und das war’s dann aber auch. Ich habe Nicki seither nie wieder gesehen.
     

Dritter Teil

Dritter Teil
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»Oh. Mann. Herr Bauer. Ist das geil!«
    Der Student neben mir kriegte sich gar nicht mehr ein, als er sanft, ja fast schon zärtlich mit seinen Fingern über das Jahrhunderte alte Papier fuhr. Für Daniel war es ein ganz besonderes Erlebnis, diese über sechshundert Jahre alte Handschrift nicht nur direkt vor sich liegen zu haben, sondern sie auch noch so ganz ohne die sonst üblichen extrem dünnen Schutzhandschuhe direkt und unmittelbar berühren zu dürfen.
    »Oh. Mann. Herr Bauer. Das ist ja wie purer ungefilterter Sex, wie Ficken ohne Kondom!« setzte er dann auch noch sogar einen drauf.
    »Es ist gut jetzt, Daniel«, brummte ich dazwischen, und ich hatte jetzt echt schon ein ganz klein wenig Angst, dass er in seiner ganzen Erregung, in der er sich gerade befand, womöglich gleich auch noch anfing, sich hier und jetzt einen runter zu holen. »Mäßigen sie sich, vergessen sie bitte nicht, wo wir uns hier befinden. Wir sind hier schließlich eine Universitätsbibliothek und kein Sexshop.«
    » ’Tschuldigung, Herr Bauer. Aber ich liebe mein Fach nun mal …. Und dagegen bin ich halt machtlos«, grinste er zurück.
    Dabei hätte er sich diese alte wunderbar illustrierte Handschrift ja auch ganz problemlos bei sich zu Hause an seinem Bildschirm anschauen können. Mittlerweile waren ja fast alle unserer kostbaren Bestände hier eingescanned und lagen in digitaler Form vor.
    Aber es hatte natürlich etwas ganz Unvergleichliches an sich, dieses Pergament, das vor über sechshundert Jahren ein Mönch in höchster Kunstfertigkeit und in wochen-, wenn nicht gar monatelanger mühevollster Kleinarbeit beschrieben und gestaltet hatte, selbst vor sich zu haben. Oder, wie Daniel es wohl ausdrücken würde: Es war ein Unterschied, wie sich allein Pornos zuhause am Bildschirm reinzuziehen und selber wunderbaren, intensiven, geilen langsamen Sex zu haben.
    Ein Buch war eben doch so viel mehr als nur die Summe seiner Worte und Buchstaben. Die Wahrheit lag dabei oft einfach zwischen den Zeilen. Eine ganz simple Tatsache, die im digitalen Zeitalter der vermeintlich unlimitierten Reproduzierbarkeit leider allzu oft übersehen wird.
    Schon den ganzen Nachmittag lang blätterte Daniel nun schon inzwischen restlos hin und weg in dieser wundervollen alten Handschrift herum und machte sich daneben auf einem Schreibblock mit seinem Bleistift Notizen für seine Zulassungsarbeit zum Staatsexamen. Er würde ganz sicher einmal ein exzellenter Geschichtslehrer werden. Ein besserer Lehrer jedenfalls, als ich einst je einer gewesen war.
    Zum Ende der eng bemessenen Öffnungszeit für den vollklimatisierten fensterlosen Handschriftenlesesaal hatte ich gar Mühe, Daniel von seiner Handschrift loszureißen. Nachdem er sich nun vom physischen Original Eingebung und Inspiration geholt hatte, konnte er aber jetzt doch wirklich mit den Scans aus der Datenbank draußen am Bildschirm weiter arbeiten. Dennoch ließ er sich gleich für morgen früh um zehn schon wieder für dasselbe Buch eintragen. So glücklich und innerlich befriedigt, als hätte er gerade zusammen mit seiner Freundin gleich mehrere wunderbar befreiende Samenergüsse hintereinander erlebt, schlenderte er dann hinüber zur Cafeteria, um sich dort vor dem Ende der Öffnungszeiten nochmals kurz zu stärken und um dann später vielleicht auf dem Rasenstück direkt davor ganz spontan mit anderen Kurzentschlossenen in der sanften späten Nachmittagssonne eventuell auch noch eine entspannende, gänzlich unvermittelte Runde Volleyball zu spielen.
    Manche der Studenten dort hätten aber dazu besser nicht nur ihre T-Shirts anbehalten, sondern sich wohl auch passenderweise gleich noch in mehrere Schichten sehr weit fallende Sweatshirts eingepackt. Denn vom rein ästhetischen Standpunkt aus betrachtet, war ihr Anblick beim halbnackten Ballspielen über das Netz für eine empfindsame Natur wie mich schlicht eine Zumutung.
    Zum Glück gehörte Daniel jedoch nicht zu diesem Personenkreis. Ich sah ihm von oben, von meinem geschlossenen Bürofenster aus nachmittags immer ganz gerne beim Spielen zu. Sein schlanker und robuster Körper strahlte dabei doch auch immer jederzeit eine
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