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Zwillingsblut (German Edition)

Zwillingsblut (German Edition)

Titel: Zwillingsblut (German Edition)
Autoren: Jennifer , Schreiner
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Sogar ein baumwollener Slip und ein weißes Unterhemd, lagen für sie bereit. Nicht die Kleidung, die sie abends getragen hatte. Melanies Kleidung.
    Das Schwein glaubte wirklich, ich bin Melanie!
Krampfhaft unterdrückte Sofia ein hysterisches Lachen und nahm die Sachen mit in die Dunkelheit der Gruft.
    Verdeckt von der Tür zog sie die bereitgelegten Sachen an. Sie passten perfekt, obwohl sie sich durch Neutralität auszeichneten. Melanies Geschmack war solide und altbacken. Ganz anders als ihrer.
Hauptsache Kleidung!
    Dann erinnerte sie sich und ihr Fluch hätte Tote aufwecken können. Der Fremde hatte nicht nur ihre eigene Kleidung entfernt und ihr Melanies gegeben. Sofia griff an ihre Ohren, wusste aber schon vorher, was sie vorfinden würde: Nichts.
    Er hatte ihr alles genommen, was sie am Leib getragen, alles, was sie besessen hatte, sogar ihre Ohrringe.
    »Oh Oma!«, flüsterte sie leise und ließ sich auf die Knie sinken. Dieser Verlust traf sie schwerer, als ihre Verwandlung in einen Vampir oder das makabere Todesspiel des Unsterblichen.
    Für Sekunden schwappte eine Welle tiefster Verzweiflung über Sofia hinweg, die geballte Wucht der letzten Jahre und die Ungerechtigkeit, mit der ihr Leben beschlossen hatte, noch schlimmer zu werden, als es ohnehin schon war.
    Dann ballte die junge Frau trotzig die Fäuste und stand auf. Entschlossenverließ sie ihre Gruft, zog die Tür hinter sich zu und schloss von Außen ab.
Man kann ja nie wissen!
Den Schlüssel steckte sie in ihre Hose.
    Sofia entschied sich für eine Wegrichtung, der sie bis zur Friedhofsmauer folgte. Die junge Frau musste ein Stück an ihr entlanggehen, bis sie einen einladenden Baum mit niedrig hängenden Ästen fand, der es ihr ermöglichte, die Mauer zu überwinden.
    Erleichtert stellte Sofia fest, dass sie sich für die richtige Richtung entschieden hatte. Ihre Entscheidung hatte sie näher zu ihrer eigenen Wohnung gebracht.
    Hastig überquerte sie die erste Straße.
    Das Licht eines näher kommenden Autos blendete sie und ließ sie orientierungslos blinzeln. Plötzlich schienen die Farben der Welt ein Eigenleben zu entwickeln und zu leuchten, sich ineinander zu drehen und zu vibrieren. Erst im letzten Augenblick schreckte sie das Hupen des Wagens lange genug auf, um von der Straße zu springen.
    Verwirrt drehte sich Sofia einmal um die eigene Achse, ignorierte die argwöhnischen Blicke der Passanten und versuchte dem Rätsel der ungefilterten Eindrücke auf die Spur zu kommen.
    Die Lautstärke der Autos, das ohrenbetäubende Flüstern der Fußgänger, das Drehen der Fahrradreifen, die Musik aus dem Straßencafe an der Ecke, dröhnten ohrenbetäubend laut. Sofia hielt sich die Ohren zu, um die Musik auszusperren, aber sie erklang weiterhin ungebremst und laut.
    Die Gerüche nach Blut, Schweiß, Parfüm, Seife vermengten sich mit dem Geschmack auf ihrer Zunge, der Sofia an erlesene Winterluft erinnerte und einen Hauch Eis mit sich trug und bildete gemeinsam mit den intensiven, unnatürlichen Farben, dem klebrigen Licht der Straßenlaterne und dem Rot der Ampel ein Kaleidoskop unzähliger Eindrücke, die sie nicht verarbeiten konnte. Wimmernd ging Sofia in die Knie und schloss die Augen.
    Hinter ihren Augen pulsierte die Welt weiter. Lebendig, im ewigen Kreislauf gefangen. Schwarz-weiß. Sie konnte die Passanten sehen, die Konsistenz ihrer Gedanken, den einzelnen Hund, der aufgeregt an einer Duftmarke roch, das schlafende Kind im Buggy und die Adern in jedem lebenden Geschöpf. Schlag, Schlag, Schlag…
    »Mädchen?« Eine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter. Sie vibrierte vor Leben und passte sich dem Weltenklang an. Schlag, Schlag, Schlag…
    »Alles in Ordnung?« Die Stimme des Mannes klang aufrichtig besorgt. Was er sah, war eine junge Frau, die sich von Schmerzen geschüttelt auf den Bürgersteig kauerte.
    Leere. Nichts. Kein Geräusch ihres eigenen Körpers. Sie war tot, begriff Sofia schlagartig.
    Ihr Herz schlug nicht, kein Blut, keine Atmung, ihre Körperfunktionen hatte komplett gestoppt. Ein weiteres Wimmern verließ ihren Mund.
    »Ich rufe einen Arzt!«, meinte der Mann und Sofia konnte mit geschlossenen Augen sehen, wie er sein Handy zückte.
    »Nicht!«, bat sie leise.
    Normalität! Ich bin normal! Alles ist in Ordnung! Ich bin gesund, mein Körper funktioniert, gehorcht mir. Alles läuft automatisch, wie früher! Ich bin Sofia, ich sehe keine komischen Dinge, höre nichts und fühle nichts was nicht normal ist.
    Sofia öffnete
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