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Zurueck in die Nacht

Zurueck in die Nacht

Titel: Zurueck in die Nacht
Autoren: Claudia Walter
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Scheinwerfer erleuchten blitzartig die
Fassade, dann halten die Maschinen an und die Motoren werden ausgestellt. Die
Scheinwerfer erlöschen, und ich sehe kurz nichts als absolute Finsternis, bevor
meine Augen sich langsam umstellen. Von den Motorrädern klettern je zwei
Gestalten, ganz in Schwarz, mit ebensolchen Helmen, unter denen ihre Gesichter
verborgen bleiben. Sie stellen sich nebeneinander hin und starren in meine
Richtung. Ich bin wie gelähmt und rechne jeden Augenblick damit, dass sie sich auf
mich zu in Bewegung setzen.
    Doch sie interessieren
sich gar nicht für mich. Stattdessen starren sie auf einen Punkt schräg über
mir. Als ich vorsichtig, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, meinen Kopf in
dieselbe Richtung drehe, durchfährt es mich eiskalt. Denn das, was sie
anstarren, ist noch viel schlimmer. Es ist Clarissas Fenster.
    Die vier stehen einige
Minuten da wie Statuen. Ich habe das unheimliche Gefühl, dass sie sich
miteinander verständigen, auch wenn kein Laut zu hören ist. Dann sehe ich, wie
sie sich fast unmerklich zunicken, bevor sie alle vier auf einmal langsam ihren
rechten Arm ausstrecken, bis sie ihn waagerecht von sich weg halten. Sie formen
dabei einen Halbkreis. Dann heben sie alle zusammen ihre Hände immer höher, bis
sie genau auf Clarissas Fenster zeigen. Mir wird eiskalt, obwohl ich
gleichzeitig den seltsamen Eindruck habe, dass die Luft um mich herum plötzlich
deutlich wärmer geworden ist. Ich spüre, wie mir die Haare zu Berge stehen, und
zwar ganz wörtlich, als prickle auf einmal alles um mich herum vor
Elektrizität. Das Gefühl wird immer stärker. Ich bekomme eine Gänsehaut, fühle
mich wie geladen – und da schießt auf einmal ein blendend heller Blitz aus den
Händen der vier Gestalten hervor. Es sieht aus wie ein Strahl puren Feuers, die
Hitze ist unerträglich. Und er schießt genau in Clarissas Zimmer.
    „NEIIIN!“
    Erst, als sich
alle vier Köpfe gleichzeitig mir zuwenden, merke ich, dass ich es bin, der
geschrien hat und gleichzeitig aufgesprungen ist, so dass die Mülltonnen
polternd in alle Richtungen rollen. Aber ich bin so außer mir, dass ich mir
überhaupt keine Sorgen mache. Ich denke nicht. Ich handle rein instinktiv, wie
auf Autopilot. Ich rase an den verblüfften Wächtern – denn nur solche können es
sein – vorbei in die Nacht hinein und zurück. Ich muss sie erwischen, bevor sie
den Feuerstrahl abschicken können, bevor sie beim Haus ankommen, bevor sie mich
erwischen. Natürlich ist mir klar, dass ich kaum eine Chance habe, da ich noch
nicht einmal weiß, ob sie vor oder hinter mir sind – oder beides. Aber ich muss
es versuchen.
    Als ich eine
niedrige Mauer neben der Straße erblicke, springe ich kurzentschlossen hinüber
und ducke mich dahinter. Ich versuche, in beide Richtungen zu lauschen und zu
spähen. Denn auch, wenn ich nicht weiß, von wo sie kommen, so bin ich doch
sicher, dass sie kommen. Und ich kann nur hoffen, dass es die richtige
Richtung ist.
    Kurz darauf höre
ich Motoren. Fast jubele ich auf. Sie kommen nicht vom Haus, sondern aus der
entgegengesetzten Richtung. Clarissa ist in Sicherheit. Noch. Ich warte, bis
sie fast bei mir sind, dann springe ich vor ihnen auf die Straße, so dass mich
ihre Scheinwerfer voll erfassen. Meine Rechnung geht auf – sie sehen mein
Gesicht und bremsen im nächsten Moment scharf. Die beiden Hintermänner springen
ohne zu zögern von den Maschinen und sprinten auf mich zu. Ich schaffe es
gerade noch rechtzeitig, bevor sie bei mir sind, wieder loszurennen, in die
Richtung, aus der sie gekommen sind. Weg von Clarissa. Fast ist mir egal, ob
sie mich erwischen – Hauptsache, sie lassen sie in Ruhe.
    Ich renne so
schnell wie noch nie, zuerst die Straße entlang, und dann, als ich am
Quietschen der Reifen und Aufheulen der Motoren hinter mir höre, dass sie wenden
und mir folgen, schlage ich mich in eine enge Seitengasse, in die sie mir
hoffentlich nicht so schnell folgen können. Trotzdem warte ich am Ende der
Gasse, bis ihre Scheinwerfer am Anfang erscheinen und mich voll erfassen, bevor
ich weiterlaufe. Sie sollen ja nicht auf die Idee kommen, umzudrehen oder sich
zu trennen. Während ich renne, überlege ich verzweifelt, was ich tun kann. Auch
wenn ich ihnen momentan entwischt bin – solange sie ihre Motorräder haben, wird
meine Flucht nur von kurzer Dauer sein. Und wenn sie mich hier in Kirchdorf fangen,
ist Clarissa viel zu nah. Ich muss weit weg sein, bevor sie mich kriegen.
    Schon
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