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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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Hause nehmen und waschen. Das ist neu. Ich will mich um ihn kümmern.
    Ein lang gezogener Atemstoß. Er dreht den Kopf. »Habe ich dir wehgetan?«
    »Nein.«
    »Tut mir leid, was ich getan habe.«
    Alle Antworten, die mir in den Sinn kommen, sind so grotesk, ich behalte sie für mich.
Du kannst alles tun, was du willst. Es hat mir nichts ausgemacht. Ich will, dass du dich besser fühlst.
    Eigentlich sollte ich Feministin sein.
    »Ich habe es dir doch erlaubt.« Ich rutsche ein bisschen näher und lege ihm den Arm um die Taille.
    »Ich hätte auf dich achtgeben sollen. Ich war nicht ganz klar im Kopf, ich …«
    »Nächstes Mal.«
    Er dreht sich um, zieht mich an den Hüften hoch in seinen Schoß. »Da will ich dich haben.«
    Seine schroffen Finger spielen mit den beiden intakten Knöpfen meiner Seidenbluse. »Ich hab deine Bluse kaputt gemacht.«
    Mit dem Daumen findet er den weichen Stoffkeil, wo sich die Körbchen meines BH s zwischen meinen Brüsten treffen, und er folgt ihm unter eine der Schalen und wandert nach hinten. Ich trage einen pfirsichfarbenen BH mit Spitzenrand, passend zum Höschen. Steif, verstärkt. Quasi eine Nuklearschutzausrüstung.
    »Ich ziehe dir das vom Lohn ab«, necke ich ihn.
    »Ich will dir niemals wehtun.«
    Du wirst mir das Herz brechen.
    Ich hatte das bisher nicht gewusst, aber ich weiß es jetzt.

4
    Sonst amüsieren wir uns immer prächtig. Er gibt urkomische Geschichten zum Besten, ohne aus der Rolle zu fallen. Wir reißen zeitgemäße Witze, und er kitzelt mich am Brustkorb, bis ich mich vor Lachen nicht mehr halten kann.
    Eines Abends hatte er einen Flachmann dabei, und wir saßen oben auf der Lok der Atchison, Topeka and Santa Fe, tranken Gin und sahen zu, wie die Sonne aufging. Es war 1934. Wir waren beide bettelarm, unsere Träume zerstört, unsere Familien auseinandergerissen. Aber wir brachten uns gegenseitig zum Lachen, bis wir hinunterklettern mussten, weil ich Angst hatte, vom Zug zu fallen.
    Das war, als er mich zum ersten Mal küsste. Er lehnte sich an den Wagen und zog mich an seinen Körper, und danach dachte ich, ich wäre vom Lachen außer Atem. Dann küsste er mich noch mal, und ich änderte meine Meinung.
    Ich habe ihm alle meine Geheimnisse erzählt, nur dass sie verkleidet waren. Ich habe ihm erzählt, was mit meiner Schwester passiert ist, doch ich machte daraus eine Geschichte, nach der sie ins Eis eingebrochen war, als ihr Mann sie im Winter über die Bucht gefahren hatte. Früher haben die Menschen das gemacht: auf der dicken Eisschicht die Bucht überquert. Meistens haben sie es überlebt.
    Sie sammelten auch das Eis. Es war ein Riesengeschäft, damals, als Familien noch altmodische Eisschränke hatten.
    Ich erzählte ihm, dass ich Angst hätte, meinen Job zu verlieren. An jenem Abend war ich eine Schreibkraft, also redete ich über Entlassungen und darüber, dass ein Mädchen aus dem Schreibpool mit unserem Chef schlief.
    Ich habe ihm Lisa beschrieben – bei drei verschiedenen Gelegenheiten unter drei verschiedenen Namen.
    Ich habe ihm sogar einmal von Josh erzählt. Dass seine Eltern verschwunden wären und niemand sie finden könnte. Und ich mich so lange um ihn kümmerte.
    Tyler ist ein guter Zuhörer, ein guter Freund. Ich glaube, seit ich ihn kenne, bin ich ein besserer Mensch. Auch wenn es vielleicht nicht nur an ihm liegt, hat er dabei geholfen. Meinem Leben zu entfliehen und darüber zu reden, hat etwas verändert. Das Spiel mit ihm hat mich daran erinnert, dass ich Joshs Mom und trotzdem ich selbst sein kann. Ich kann eine neue Version von mir sein.
    Als wir das erste Mal Sex hatten, auf dem Fußboden des Eisenhower, habe ich mich hinterher etwas geniert, als das Hoch des Orgasmus schließlich verflogen war. Ich hatte Tyler quasi überfallen.
    Aber im Monat darauf wurde über versteckte Lautsprecher die Musik einer Big Band gespielt. Wir tanzten auf dem Holzboden des Postwagens. Er hatte kurze Stumpenkerzen in einige der Postsortierfächer gestellt, drehte, schleuderte und wirbelte mich herum, und dann trug er mich zu einem schmalen Bett in einem der Schlafwaggons und liebte mich stundenlang, so langsam und intensiv, dass ich das Gefühl hatte, er brandmarke mich mit seinen Händen und seiner Zunge und nehme mich mit jedem Stoß in meinen Körper in Besitz.
    In jener Nacht war ich Veronica Lake, bis er mir das Kleid auszog. Dann war ich ich. Wenn er in mir ist, bin ich nie jemand anders gewesen als ich selbst.
    Ich glaube, ich liebe ihn, und ich
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