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Zu Schnell

Zu Schnell

Titel: Zu Schnell
Autoren: John Boyne
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genau, wo ich gestanden hatte, als ich sie abends im BH sah. Ich konnte die Poster an meiner Wand erkennen und das dreckige T-Shirt, das ich über die Stuhllehne gehängt hatte.
    Wenn Mam zu Hause wäre, hätte sie es längst gewaschen.
    »Bist du fertig im Bad?«, fragte Luke, als ich wieder in sein Zimmer kam. Ich nickte. Er hatte inzwischen seinen Schlafanzug angezogen und marschierte an mir vorbei ins Badezimmer. Nachdem er die Tür hinter sich zugemacht hatte, zog ich mich auch blitzschnell aus und schlüpfte in den Pyjama, den Mrs Kennedy für mich bereitgelegt hatte. Als Luke zurückkam, war ich gerade dabei, meine Hose und mein Hemd ordentlich zusammengefaltet über den Stuhl zu legen. Dann kletterte ich die Leiter zum oberen Bett hinauf und kroch unter die Decke.
    »Benjamin ist ein Blödmann, stimmt’s?«, begann Luke unvermittelt.
    »Mr Benson?«, fragte ich, und als er nickte, fuhr ich fort: »Ich finde ihn gar nicht so übel. Er sieht aus wie ein Eisbär.«
    »Eigentlich dürfte er gar nicht hier sein«, schimpfte Luke. »Er hat kein Recht, für uns zu kochen. Das hier ist Dads Haus. Wenn ich im Sommer zu ihm fahre, sage ich ihm alles.«
    Ich drehte mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Sie war mit lauter winzigen Sternen bedeckt, die jetzt im Dunkeln leuchteten. So ähnlich war es bestimmt, wenn man hoch oben auf einem Berg im Freien übernachtete. Ich strecke den Arme aus, um einen Stern zu berühren, schaffte es aber nicht ganz.
    »Was ist eigentlich bei euch los?«, fragte Luke nach einer Weile.
    »Nichts«, antwortete ich.
    »Doch, klar ist was los. Erzähl schon.«
    »Nein, es ist nichts«, entgegnete ich ärgerlich. Ich wollte nicht, dass er mich ausfragte.
    Er schnaubte ungeduldig. »Da hab ich aber ganz was anderes gehört.«
    »Und – was hast du gehört?«
    »Ich habe gehört, dass deine Mutter betrunken war und jemanden überfahren hat, und der ist dann gestorben.«
    Ich setzte mich auf. »Stimmt doch gar nicht!«, protestierte ich.
    »Das hat meine Mutter aber gesagt.«
    »Ehrlich?« Ich war schockiert.
    »Na ja, nicht ganz«, gab Luke zu. »Sie hat nicht gesagt, dass er tot ist. Aber dass er höchstwahrscheinlich stirbt. Er liegt im Koma, und es sieht nicht gut aus. Ich habe gehört, wie sie das gesagt hat, bevor du hierhergekommen bist.«
    Ich legte mich wieder hin und schaute zu den Sternen. Mir war innerlich kotzelend. Da klopfte es leise, und die Tür ging auf, erst nur ein kleines Stück und dann ganz. Ein Lichtstrahl erhellte das Zimmer, und Mrs Kennedy kam herein.
    »Ist bei euch beiden alles in Ordnung?«, fragte sie. »Hast du alles, was du brauchst, Danny?«
    »Schläft Danny morgen Nacht auch hier?«, wollte Luke wissen.
    »Ich weiß es noch nicht«, antwortete Mrs Kennedy. »Das sehen wir dann.«
    »Kann es sein, dass ich morgen wieder hier schlafen muss?«, fragte ich. Wie lang ging das noch so weiter?
    »Mach dir am besten keine Gedanken«, beruhigte sie mich. »Jetzt schlaft ihr erst mal, und morgen wissen wir mehr. Und dass ihr mir ja nicht die ganze Nacht durchquatscht, verstanden? Es ist schon sehr spät.«
    Sie beugte sich über das untere Bett, und ich hörte, wie sie Luke einen Gutenachtkuss gab.
    »Schlaf gut, Danny«, sagte sie dann und lächelte mir zu. »Du weißt ja, wo du mich findest, wenn du irgendetwas brauchst.«
    »Es ist die zweite Tür rechts«, erklärte Luke.
    »Ich glaube, Danny weiß das schon.« Im Mondlicht konnte ich sehen, dass sie lächelte, als sie ging, und obwohl es dunkel war im Zimmer, war ich ganz verlegen und merkte, dass mein Gesicht feuerrot anlief.
    Luke und ich sagten beide kein Wort, und nach einer Weile hörte ich, dass er sich auf die Seite drehte und dass seine Atemzüge langsamer wurden. Wahrscheinlich ist er eingeschlafen, dachte ich.
    »Sie war nicht betrunken«, flüsterte ich leise.

Kapitel 5
    »Natürlich war sie nicht betrunken«, sagte Dad, als ich ihm am nächsten Tag alles erzählte. »Meine Güte, Danny – hast du deine Mutter schon mal betrunken erlebt? Weißt du überhaupt, was das heißt?«
    »Petes Freunde sind immer betrunken, wenn sie hier übernachten«, antwortete ich.
    »Hmmm«, brummte Dad und nahm die Brille ab, um die Anweisungen auf der Spaghetti-Packung zu studieren. »Das stimmt. Aber du kennst doch deine Mutter. Es war ein Unfall. Die Polizei weiß das. Die Eltern des kleinen Jungen wissen es auch. Sogar Mam weiß es.«
    »Warum ist sie dann so komisch?«
    »Weißt du – es war zwar
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