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Zu Schnell

Zu Schnell

Titel: Zu Schnell
Autoren: John Boyne
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fürchterlich, wie ich dastand, in meinem Schlafanzug und mit dem Helm auf dem Kopf.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Dad mit einem Blick zu den Polizisten und nahm mir den Helm ab. »Danny, ab ins Bett. Augenblicklich.«
    Ich raste die Treppe hinauf. Oben machte ich meine Zimmertür aber nur auf und wieder zu und ging nicht hinein, sondern blieb draußen und schlich wieder zu meinem Beobachtungsposten am Geländer.
    Dad öffnete die Haustür, und die beiden Polizisten traten hinaus ins Freie.
    »Wenn es neue Entwicklungen gibt …«, begann mein Vater, doch die Polizistin unterbrach ihn und verkündete mit furchtbar ernster Stimme: »Dann werden wir selbstverständlich sofort mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Vor allem müssen wir morgen noch einmal mit Ihrer Frau sprechen. Das ist Ihnen klar, oder?«
    »Ja, natürlich«, sagte Dad. »Es ist alles so schrecklich.«
    »Das ist reine Routine, Mr Delaney«, sagte die Polizistin. »Wir melden uns bei Ihnen.«
    Ich hörte, wie sie sich entfernten. Dad schloss die Haustür, blieb dann aber eine ganze Weile reglos stehen, starrte auf die Wand und fuhr sich mit einem tiefen Seufzer über die Augen. Schließlich ging er wieder in die Küche, machte die Tür hinter sich zu, und alles wurde ganz, ganz still.

    Nachdem Mam ins Bett gegangen war, kam Dad in mein Zimmer, um mit mir zu reden. Ich hatte mich schon hingelegt, aber als er hereinkam, setzte ich mich auf.
    »Du bist noch wach«, sagte er leise.
    »Ja, ich kann nicht einschlafen. Was ist passiert, Dad? Geht es Pete gut?«
    »Pete?«, fragte Dad. »Ja, ihm geht es gut. Dabei fällt mir ein – ich muss ihn unbedingt anrufen. Aber das mache ich morgen. So lange kann es noch warten.«
    »Was ist passiert?«, fragte ich noch einmal.
    »Es war ein Unfall«, sagte mein Vater mit sanfter Stimme. »Kein Grund zur Aufregung. Ein kleiner Junge ist deiner Mutter vors Auto gelaufen. Er ist plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Niemand kann etwas dafür, niemand ist schuld.«
    Ich starrte ihn nur fassungslos an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dann blinzelte ich ein paarmal ganz schnell hintereinander und wartete darauf, dass Dad weiterredete.
    »Dem Jungen geht es gut«, fuhr er fort. »Das heißt, nicht richtig gut. Er ist im Krankenhaus. Das ist am besten für ihn, weil man sich dort um ihn kümmert. Bestimmt kommt alles bald wieder in Ordnung. Ich bin mir da ganz sicher.«
    »Wie kannst du dir sicher sein?«, fragte ich.
    »Weil es so sein muss«, entgegnete er mit Nachdruck. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, hörst du? Alles wird wieder gut. Und nun solltest du schlafen. Wenn du morgen früh aufstehst, sei bitte leise, damit du deine Mutter nicht störst. Das Ganze hat sie sehr mitgenommen.«
    Ich nickte. Dad ging wieder, aber ich legte mich erst hin, als ich hörte, wie sich die Schlafzimmertür hinter ihm schloss. Dann machte ich die Augen zu und dachte an den kleinen Jungen. Hoffentlich wurde er wieder gesund. Aber irgendetwas sagte mir, dass er nicht wieder gesund werden würde. Und dass bei uns zu Hause nichts je wieder so sein würde wie vorher.

Kapitel 3
    Am nächsten Morgen wurde ich ganz früh wach. Als ich nach unten ging, war Dad schon in der Küche. Aber nirgends eine Spur von Mam.
    »Sie bleibt heute Vormittag im Bett«, erklärte Dad. »Sie konnte kaum schlafen. Du musst sie in Ruhe lassen.«
    Ich ließ Mam in Ruhe. Vor allem, weil ich Angst davor hatte, sie zu sehen. Ich hätte nicht gewusst, was ich zu ihr sagen soll. Aber als ich später am Vormittag nach oben ging, um David Copperfield zu holen, kam sie gerade aus dem Bad, und sobald sie mich sah, brach sie in Tränen aus.
    »Meine Güte, Danny!«, rief Dad und kam die Treppe heraufgerannt. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst Mam nicht stören.«
    »Ich hab doch gar nichts gemacht«, verteidigte ich mich und hielt das Buch hoch. »Ich bin nur raufgekommen, um das hier zu holen.«
    »Geh bitte nach draußen«, entgegnete er gereizt. »Kannst du nicht ein Mal machen, was ich dir sage?!«
    Draußen im Garten setzte ich mich auf die Schaukel. Ich wollte lesen, kam aber nicht weiter. Vor lauter Wut konnte ich mich nicht konzentrieren. Da fuhr ich lieber ziellos mit dem Fahrrad herum.
    Als ich abends zurückkam, war das Haus leer. Es war schon fast sechs Uhr, und ich hatte Hunger. Ich ging an den Kühlschrank und wollte mir ein Brot streichen, doch genau in dem Moment klopfte es an der Haustür.
    »Danny?«, rief eine Frauenstimme. »Danny, ich
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