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Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)

Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
Autoren: Jill Shalvis
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Wenn Joe zur Rückseite des Lagerhauses lief, dann erinnerte er sich daran, dass ihr Vater, Tim Abrams, sich ebenfalls oft in das Lagerhaus davonstahl.
    Mein Vater schätzt eben seine Privatsphäre, dachte Summer mit liebevollem Lächeln. Er stieg gern in den Dachspeicher, wo er dann aus dem kleinen Fenster schaute, das auf die Stadt und den Pazifischen Ozean hinausging, und schrieb. Hier, so behauptete er, könne er seine Aura reinwaschen und sich in seinen Geschichten verlieren.
    Doch im Moment waren es Joe und dessen Bedürfnis, sich zu verstecken, die Summer Sorgen machte. Sie folgte ihm durch den Hintereingang des Lagerhauses hindurch und die lange, steile Treppe zum Keller hinab, während Joe den großen Holzbalken und den Stapeln von Warenkartons auswich.
    Schließlich warf er sich auf die kleine Matte, auf der sie oft saßen. Er legte sich die Arme über die Augen und lag ganz reglos da; nur sein keuchender Atem war zu hören.
    Das einzige Licht spendete eine kleine Glühbirne über ihren Köpfen. Staubteilchen schwebten in der Luft. »Joe?«
    »Ich möchte allein sein.«
    Das kleine, orangefarben getigerte Kätzchen, das Summers Vater kürzlich zugelaufen war, tauchte auf, strich mit seinem warmen Leib um Summers Fersen und stupste mit dem Kopf gegen Joes Hand. Socks hatte ein grünes und ein braunes Augen und vier weiße Pfoten, daher sein Name. Es gab erst auf, wenn der Mensch, auf den das Kätzchen es abgesehen hatte, ihm Beachtung schenkte. Joe, dessen Arme immer noch seine Augen bedeckt hielten, gab nach und streichelte das Kätzchen unterm Kinn, bis es behaglich schnurrte.
    Weil ihre wackligen Beine eine Ruhepause brauchten, setzte Summer sich neben Joe und schlang die Arme um die Knie. »Wenn du allein sein willst, warum bist du dann hierhergekommen?«
    Er gab keine Antwort; sie seufzte. Sie spürte, wie schlecht es ihm ging, und empfand Mitgefühl für ihn. »Es tut mir leid, Joe.«
    »Was?«
    Dass deine Mutter tot ist. Dass du einen furchtbaren, brutalen Vater hast. Dass du die Schule hasst. Dass du anders bist . »Dass dich so viel belastet.«
    Er schnaubte verächtlich. »Hau ab, Summer.«
    Dass er sie mit ihrem richtigen Namen statt ihrem Kosenamen Red anredete, beunruhigte sie. »Schau, joggen ist blöd, okay? Ich kann das nur zu gut verstehen, weil …«
    »Es geht nicht ums Joggen.«
    »Mitch ist ein Riesenidiot. Er benimmt sich nur deshalb so, weil ich nicht mit ihm ausgehen will …«
    Joe nahm den Arm vom Gesicht und sah zur Decke hoch. »Es geht hier ausnahmsweise mal nicht um dich. Stell dir mal vor.«
    Entsetzt hielt sie den Mund.
    »Miau.«
    Summer ignorierte das Kätzchen. Joes Worte hatten sie tief getroffen. In all den Jahren ihrer Freundschaft hatte er noch nie etwas Kränkendes zu ihr gesagt. Sie wohnten Haus an Haus. Sie gingen zusammen zur Schule und wieder zurück. Sie lernten zusammen, hörten zusammen Musik. Und spät am Abend, wenn Joes Vater betrunken nach Hause kam und seine Wutanfälle bekam, die normalerweise gegen Joe gerichtet waren, wartete sie und sah zu, wie er aus dem Fenster seines Zimmers hinaus- und in ihres hineinstieg, und tat dann so, als sähe sie das Leid in seinen Augen nicht, weil er ihr Mitleid nicht ausstehen konnte. Dann unterdrückte sie den Impuls, ihn fest in die Arme zu schließen, zündete stattdessen eine Räucherkerze mit beruhigendem Duft an und warf ihm ihre Gästebettdecke samt Kissen zu. Dann kuschelte er sich schweigend auf ihrem Sitzsack ein, damit er wenigstens ein wenig ruhigen Schlaf finden konnte.
    Jetzt schaute sie ihren besten Freund an, die Person, der sie mehr als allen anderen Menschen vertraute, und spürte ein schmerzliches Gefühl in der Brust, weil er sie nicht an sich heranließ und angeraunzt hatte, obwohl sie ihm doch nur helfen wollte. »Joe …«
    »Hau ab, hab ich gesagt.« Er griff in seine Hosentasche und warf ihr den Bernsteinkristall zu.
    Sie blickte darauf. Sie hatte ihn Joe wegen seines sanftmütigen, liebevollen Naturells geschenkt, aber er hatte nicht zugelassen, dass er wirkte. Schlimmer noch, er hatte sie noch nie weggeschickt, niemals, darum stand sie jetzt wie betäubt auf. »Wenn du nicht mehr so muffelig bist, kannst du ja nachkommen – du weißt ja, wo du mich findest.«
    »Ja. Bei Danny.«
    »Es gibt da nichts …« Aber sie hielt inne, denn es stimmte ja: Sie war irrsinnig verknallt in Danny. Wirklich. Am liebsten hätte sie den ganzen Tag seinen Namen in ihr Notizbuch geschrieben, mit kleinen Herzen
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