Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit
Autoren: Johanna Lindsey
Vom Netzwerk:
gewesen. Doch die Verzögerung erschien ihm geringfügig, und obwohl er immer noch nach der Spur seiner Gegner suchte, war er überzeugt, dass sie nur eine knappe Stunde Vorsprung hatten. Er würde ihnen keine Zeit geben, ihren Sieg zu feiern.
    Jamies Zorn kämpfte mit seiner Vernunft, und er fragte sich, ob es klug gewesen war, nach Süden zu reiten, ohne seine Entscheidung zu überdenken. Er hatte sich an die Tatsachen gehalten. Natürlich hätte er gar nicht anders handeln können. Der Tod mehrerer Menschen erforderte, dass er nach Süden ritt, um sie zu rächen - auch der abgerissene Tartanstreifen zwang ihn dazu. Aber - warum? Wenn er doch stichhaltigere Beweise hätte... Sein Unternehmen grenzte an Wahnsinn. Wusste er überhaupt, was er tat?
    Diese Ungewissheit quälte ihn und verstärkte seine Zweifel an der schwierigen Aufgabe, die ihm bevorstand. Dugald Fergusson würde die Situation keineswegs verkennen und sich darauf einstellen, dass Jamie die Macht besaß, den ganzen Clan der Tiefländer zu vernichten. Das konnten die MacKinnions allein schaffen, und sie durften mit der Unterstützung zweier starker Nordclans rechnen, in die Jamies Schwestern eingeheiratet hatten.
    Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, wäre er in der Lage, fünfhundert Mann auf die Beine zu stellen. Das musste der alte Dugald wissen. Vor drei Jahren hatte er vom ersten Bündnis erfahren, von der Hochzeit der zweiten Schwester kurz nach dem Tod des alten MacKinnion. Und Jamie war als neuer Laird von MacKinnion zum ersten-und letztenmal ins Tiefland geritten, um die Fergussons anzugreifen. Nach jenem Überfall hatte Dugald keine Vergeltung geübt, obwohl er zwanzig Rinder, sieben Pferde und fast einhundert Schafe eingebüßt hatte. Dugald wusste , dass er den MacKinnions nicht gewachsen war, und Jamie wusste es ebensogut.
    Es war sinnlos gewesen, die alte Fehde fortzusetzen, und Jamie hatte seine Tante Lydia in dem Glauben gelassen, sie hätte ihn zum Friedensschluß überredet. Dieser Gedanke gefiel ihr, und er machte ihr sehr gern eine Freude. Immer wieder hatte sie ihn angefleht, eine von Dugalds vier Töchtern zu heiraten, um die Versöhnung zu besiegeln. Aber so weit wollte er nicht gehen. Seine erste und einzige Ehe hatte ein so tragisches Ende gefunden. Diese Erfahrung genügte ihm.
    Mit gerunzelter Stirn überlegte er, was seine Tante wohl denken würde, wenn sie erfuhr, wohin er geritten war und was die dunkle Seite seines Wesens anstrebte - die Ausrottung der Fergussons. Dies könnte bewirken, dass sie sich für immer von der Wirklichkeit entfernte.
    Lydia MacKinnion litt an geistigen Störungen, seit die Fehde zwischen den MacKinnions und den Fergussons vor siebenundvierzig Jahren begonnen hatte. Sie war Zeuge der Ereignisse geworden, die den Kampf ausgelöst hatten. Aber sie verschwieg, was sie gesehen und warum Niall Fergusson, Dugalds Vater, Jamies Großeltern getötet und einen erbitterten zehnjährigen Krieg begonnen hatte, in dem beide Clans auf die Hälfte ihrer Mitglieder vermindert worden waren. Später hatte man sich mit periodischen Angriffen begnügt, mit dem einzigen Ziel, Vieh zu rauben - ein Brauch, der im Hochland ebenso an der Tagesordnung war wie das Atmen.
    Vielleicht hatte Niall Fergusson an Wahnsinn gelitten - vielleicht war auch Dugald verrückt, einem alten Familienerbe zufolge. Diese Möglichkeit musste man in Betracht ziehen und einem Wahnsinnigen verzeihen, seine Taten sogar dulden. Immerhin war auch Jamies Tante nicht ganz richtig im Kopf.
    Diese Erkenntnis beruhigte ihn. Wie könnte er einen ganzen Clan für die Handlungsweise eines Irrsinnigen strafen? Seine Wut über den grausamen Angriff der Fergussons ließ nach. Er wollte sich rächen, aber er würde sie nicht alle vernichten.
    Der Nebel löste sich allmählich auf, als Jamie in die bewaldete Talsenke ritt. Er sah, dass er sie in wenigen Sekunden durchqueren könnte, denn sie war nicht breiter als hundert Meter. Inzwischen hatte er sich ungefähr um eine halbe Meile von seinen Männern entfernt. Und da keine Hütte zu sehen war, begann er zu bezweifeln, dass er sich auf dem Gebiet der Fergussons befand. Vielleicht hatte er die Entfernung falsch berechnet und seine Leute auf der Suche nach einer Furt zu weit Fluss abwärts geführt.
    Plötzlich hörte er etwas und glitt blitzschnell von seinem Pferd, um in Deckung zu gehen. Doch als er wieder lauschte, war das Geräusch unverkennbar - ein Kichern, ein weibliches Kichern.
    Er ließ sein Pferd
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher