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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit
Autoren: Johanna Lindsey
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genug gewesen, dass er erst fünfundzwanzig Jahre zählte - sein hübsches, knabenhaftes Gesicht ließ ihn noch jünger erscheinen. Alle, die ihm nahestanden, kannten sein lebhaftes Temperament und seine Neigung, vorschnell zu urteilen. Aber diese Männer hier hatten wenig von ihm gesehen, seit er vor zwei Jahren, nach dem Tod seines Vaters, zum Oberhaupt des Clans aufgestiegen war - zum Laird von MacKinnion. Sie hatten noch keine Gelegenheit gehabt, an Jamies Seite zu kämpfen.
    »Ihr wollt, dass ich euren Rachefeldzug anführe? Das tue ich gern, denn wer immer euch angreift, der greift auch mich an.« Mutig hielt Jamie ihren Blicken stand, und niemand konnte die kalte Entschlossenheit in seinen braunen Augen übersehen. »Aber ich werde eine längst begrabene Fehde nicht ohne guten Grund von neuem beginnen. Ihr sollt eure Rache haben, das schwöre ich - doch sie wird sich nur gegen die wahren Schuldigen richten und gegen niemand anderen.«
    »Was für Beweise braucht Ihr denn noch?«
    »Einen Beweggrund, Mann!« erwiderte Jamie erregt. »Warum sollten euch die Fergussons so etwas antun? Zu meines Vaters Zeiten habt ihr sie bekämpft. Ihr wisst , dass dies kein mächtiger Clan ist. Wir sind in der Überzahl. Auf einen Fergusson kommen zwei MacKinnions, selbst wenn sie sich mit den MacAfees verbünden. Dugald Fergusson wollte die Fehde beenden. Meine Tante meinte, der Kampf hätte niemals beginnen dürfen. Deshalb war ich mit dem Frieden einverstanden, als nach unserem letzten Überfall vor zwei Jahren keine Vergeltungsmaßnahmen getroffen wurden. Seither haben sie uns nicht mehr angegriffen und wir sie auch nicht. Kann einer von euch begründen, was heute nacht geschehen ist?«
    »Begründen? Nein, aber ich kann es beweisen.« Ians ältester Sohn warf Jamie den abgerissenen Teil eines Tartans vor die Füße, in mehreren Grün-und Goldgelbtönen, mit grauen Streifen.
    In diesem Augenblick erschien eine dreißigköpfige Schar, Pächter mit ihren Söhnen, die in der Nähe von Schloss Kinnion lebten und die Jamies Bruder zusammengerufen hatte.
    »Dann soll es so sein«, sagte Jamie mit unheilvoller Stimme und bohrte die unverkennbaren Fergusson-Farben langsam mit seinem Stiefelabsatz in die Erde. »Wir reiten in den Süden, nach Angusshire. Vermutlich erwarten sie uns, doch sie werden nicht annehmen, dass wir ihnen so dicht auf den Fersen sind. Wenn wir jetzt aufbrechen, erreichen wir schon im Morgengrauen unser Ziel.«

2

     
    James MacKinnion kam nur langsam voran. Dichte Nebelschwaden hingen immer noch über dem taubenetzten Boden, und er war triefnaß, nachdem sie den zweiten der beiden Esk-Flüsse durchquert hatten. Tiefe Müdigkeit drohte ihn zu überwältigen, denn er hatte nicht viel geschlafen in dieser Nacht, und der Ritt nach Süden war anstrengend gewesen. Sie hatten einen Umweg von über einer Meile machen müssen, um eine Furt durch den Fluss zu finden, was seine Laune keineswegs besserte. Und er konnte seine Sorge nicht verdrängen. Irgend etwas stimmte da nicht, aber er wusste nicht, was es sein könnte.
    Seine Männer waren im Morgennebel am Fluss ufer zurückgeblieben, und er ritt allein weiter. Jamie, sein Bruder und Black Gawain hatten sich getrennt, um das Gelände auszukundschaften und nach Anzeichen für einen möglichen Hinterhalt zu suchen. Das tat er immer, wenn er mit einem Angriff rechnen musste , und diese Gefahr bestand ohne jeden Zweifel. Und er ritt immer selbst auf Kundschaft aus, nicht, weil er seinen Mut zeigen wollte, sondern weil er die Verantwortung für das Wohl seiner Clansmänner trug. Niemals würde er jemandem Aufgaben zuteilen, die er selbst nicht übernehmen wollte - auch wenn er dabei seine Freiheit aufs Spiel setzte.
    Nebelfetzen wirbelten umher, teilten sich vor ihm in einer schwachen Brise und enthüllten sekundenlang eine bewaldete Talsenke. Dann wurde der Nebel wieder dichter und versperrte ihm die Sicht. Jamie ritt auf die Bäume zu, die nach dem kahlen Moorland und dem Heidekraut der Berge eine willkommene Abwechslung boten.
    Nie zuvor war er so weit im Osten des Fergusson-Gebietes gewesen. Und er hatte die Tiefländer auch noch nie im Frühling angegriffen. Dafür eignete sich der Herbst, wenn die Flüsse breit, aber seicht und die Rinder nach der sommerlichen Weide wohlgenährt waren und reif für den Markt. Er hatte den Fluss immer auf dem direkten Weg zu Tower Esk überquert, der Heimstatt Dugald Fergussons. Das war diesmal wegen des hohen Wasserstands unmöglich
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