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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10
Autoren: Ake Edwardson
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Balken befestigen müssen«, erklärte Öberg. »Aber sie hat nicht auf dem Stuhl gestanden. Falls doch, dann hat sie ihn hinterher wieder abgewischt. Und das kann sie ja wohl auch nicht getan haben.«
    »Verstanden«, sagte Ringmar.
    »Der Sitz hat eine glatte Oberfläche«, sagte Öberg. »Sie war barfuß.«
    »Die Schuhe standen in der Nähe der Tür«, sagte Ringmar.
    »Sie war barfuß, als wir eintrafen«, sagte Öberg. »Sie ist barfuß gestorben.«
    »Also keine Spuren auf dem Stuhl«, sagte Winter, mehr zu sich selbst.
    »Wie die Herren wissen, sind fehlende Spuren genauso interessant wie vorhandene«, sagte Öberg.
    »Und was ist mit dem Strick?«, fragte Ringmar.
    »Das wollte ich euch gerade erzählen«, sagte Öberg.
    Winter sah, dass er irgendwie stolz war. Öberg hatte etwas zu berichten.
    »Am Strick waren keine Fingerabdrücke, aber das hab ich euch wohl schon mitgeteilt?«
    »Ja«, sagte Winter. »Und dass es ein Nylonstrick war, ist mir auch nicht ganz unbekannt.«
    Der Strick war blau, ein obszönes Blau, das an Neonfarbe erinnerte. Eine derart raue Oberfläche nahm selten Fingerabdrücke auf. Es ließ sich kaum feststellen, ob jemand Handschuhe getragen hatte.
    Aber es gab andere Spuren. Winter hatte den Kriminaltechnikern im Zimmer Nummer 10 bei der Arbeit zugesehen. Sorgfältig hatten sie den Strick nach Spuren von Speichel, Haaren, Schweiß abgesucht. Es war gar nicht so einfach, keine DNA-Spuren zu hinterlassen.
    Wer Handschuhe getragen hatte, konnte hineingespuckt haben. Sich die Haare zurückgestrichen haben.
    Es war nicht ausgeschlossen, trotzdem erwischt zu werden. Winter versuchte stets, einen kühlen Kopf zu bewahren, in diesen Zeiten, in denen aus dem Traum von der DNA, die alle Verbrechen lösen half, ein Wunschtraum werden konnte, ein Tagtraum. Er wusste, dass Öberg die Proben an das Kriminaltechnische Labor in Linköping geschickt hatte.
    »Gert hat noch etwas gefunden.« Öbergs Augen blitzten auf. »Im Knoten der Schlinge.«
    »Wir sind ganz Ohr«, sagte Winter.
    »Blut. Nicht viel, aber es reicht.«
    »Gut«, sagte Ringmar. »Sehr gut.«
    »Der kleinste Fleck, den ich je gesehen habe«, sagte Öberg.
    »Gert hat den Knoten gelöst, weil er ein gründlicher Mann ist, und dann hat er ihn sich gründlich angeschaut.«
    »Ich hab in dem Zimmer kein Blut bemerkt«, sagte Winter.
    »Keiner von uns.« Öberg nickte »Und ganz gewiss nicht an der Frau.« Er wandte sich Winter zu. »Hat Pia entsprechende Spuren an ihrem Körper entdeckt?«
    »Nein, jedenfalls bis jetzt noch nicht.«
    »Wenn der Strick also nicht Paula Neys Strick ist …«, sagte Ringmar.
    »… dann gehört er jemand anders«, ergänzte Öberg, und wieder blitzte es in seinen Augen auf.
    »Ich hab vor einer Stunde mit Paula Neys Eltern gesprochen«, sagte Ringmar und rutschte einen halben Meter mit dem Stuhl nach hinten. Diesmal war das Geräusch noch lauter. Sie waren zurück in Winters Büro. Winter spürte die Erregung im ganzen Körper, als hätte er Fieber. Ringmar rutschte mit dem Stuhl weiter zurück, es quietschte wieder.
    »Kannst du ihn nicht hochheben?«, fragte Winter.
    »Ich sitz doch drauf!«
    »Was haben sie gesagt? Die Eltern?«
    »Am Abend oder Nachmittag davor sei sie wie immer gewesen. Die ganze Woche über. Nur genervt wegen der Handwerker. Das haben sie jedenfalls gesagt. Die Eltern. Vielmehr die Mutter. Ich habe mit der Mutter gesprochen. Elisabeth Ney.«
    Winter hatte auch mit ihr gesprochen, gleich gestern Nachmittag. Und er hatte mit ihrem Mann gesprochen, Paulas Vater. Mario Ney. Er war in sehr jungen Jahren nach Schweden gekommen und hatte bei SKF gearbeitet. Viele Italiener hatten dort gearbeitet.
    Mario Ney. Paula Ney. Ihre Handtasche hatte auf dem Hotelbett gelegen. Bis jetzt hatten Öberg und seine Kollegen nichts entdeckt, was darauf hindeutete, dass jemand den Inhalt durchsucht hatte. Sie hatten eine Brieftasche mit Kreditkarte und ein wenig Bargeld gefunden. Keinen Führerschein, aber die Mitgliedskarte eines Sportstudios. Anderen Kleinkram. Und ein Fach mit vier Fotos aus einem Fotoautomaten. Sie schienen neu zu sein.
    Der gesamte Tascheninhalt deutete darauf hin, dass sie Paula Ney gehörte, und es war Paula Ney, die in dem dunklen Hotelzimmer, das nur einen dünnen Sonnenstrahl hereinließ, erhängt worden war.
    »Wann hätte Paula Ney in ihre Wohnung zurückkehren können?«, fragte Winter.
    »Irgendwann demnächst, soll sie gesagt haben.«
    »Behaupten das die Eltern?«
    »Der
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