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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition)
Autoren: Daria Verner
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ihm den Wind aus den Segeln genommen, stand er vor ihr und erwiderte nichts. »Aber mit dem Brand hab´ ich nichts zu tun!« Und nachdem Gloria ihre Geschichte ein letztes Mal wiederholte, standen sie hilflos voreinander. Es war halb sieben Uhr morgens. Die Müdigkeit packte Gloria und ließ sie frösteln. »Ich gehe ins Bett.« Das Donnerwetter, das keines gewesen war, fand endgültig sein Ende. Gloria drehte sich um und verschwand in ihr Zimmer.
    Der Tod ihrer Mutter lähmte sie regelrecht. Am liebsten hätte sie alles hinter sich gelassen; Hauptsache raus aus dieser endlosen Sackgasse! Es war wie in einem schlechten Traum, bei dem man fortlaufen wollte, jedoch nicht von der Stelle kam. Der einzige Unterschied: Dies war die Realität, die Gloria nach den vergangenen drei Monaten so unwirklich erschien, dass sie sich fragte, ob sie irgendwann durchdrehte.
    Es war schon halb drei Uhr nachmittags, als sie aufwachte. Die Sonne schien; dennoch zeigte sich der Mai heute von einer kühlen Seite… Gloria schnappte sich kurzerhand ihre Jacke und schlenderte durch die Stadt zum Bahnhof. Zu gern würde sie fortfahren – frei nach dem Motto ‹Auf die Plätze, fertig, los!› Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht… Natürlich könnte sie in den nächstbesten Zug steigen und abhauen. Aber was würde dann aus ihrem Vater werden? Sie war gerade in der elften Klasse; immerhin wollte sie Abitur machen. Gloria ärgerte sich: Immer schön ins Schema F passen, mitschwimmen und nach den Regeln spielen! Fakt war: Nichts trug dazu bei, dass ihr Vater und sie ein Stück Harmonie zurückgewannen. Gloria setzte sich auf eine Bank und holte einen Zettelblock samt Stift aus ihrer Jackentasche, um ihre Gedanken niederzuschreiben.
    Anschließend las sie ihren fertigen Text durch. Es klang, als wollte sie sich vor sich selbst rechtfertigen. War das ihr Leben? Gloria starrte auf die Treppe zu den Gleisen. Es wäre nur zu klischeehaft, wenn sie jetzt einfach irgendwo einsteigen würde. Einen guten Brief an ihren Vater hätte sie allerdings schon parat…
    Gloria schob diesen Gedanken schnell beiseite. Energisch griff sie nach ihrer Tasche und ging. An den Fahrradständern entlang, über die Ampel, geradewegs zu ihrem Elternhaus. Hier gehörte sie hin; das war ihr Zuhause! Gloria bog um die Ecke und sah einen Polizeiwagen direkt vor der Haustür stehen. Sie zögerte. Sollte sie wirklich hineingehen? Leise steckte sie den Kopf durch die Haustür und huschte vom Windfang in den Flur. Im Wohnzimmer brannte Licht, die Tür war zu.
    »Ich kann Ihnen nur sagen, dass mir alles über den Kopf wächst und meiner Tochter auch.« Ihr Vater klang entmutigt. Gloria verstand nicht jedes Wort. Doch je länger sie das Gespräch verfolgte, desto klarer wurde: Ihrem Vater ging es nicht gut. »Wir müssen davon ausgehen, dass ihre Tochter mit dem Brand der Bibliothek etwas zu tun hat.« Gloria konnte kaum glauben, was sie belauschte! »Ich weiß aber nicht, was ich noch tun soll. Seit dem Tod meiner Frau ist sie wie von Sinnen und lehnt jede Hilfe ab. Sie verschanzt sich hinter Büchern, isst fast nichts mehr und reden möchte sie auch nicht.« »Dann kann es doch aber nicht so weitergehen!« »Nächste Woche hat sie einen Termin in der psychiatrischen Klinik in Dresden. Ich habe es ihr nur noch nicht gesagt.«
    Was? Gloria fühlte sich wie versteinert. Wenn jemand eine solche Klinik brauchte, dann wäre er es! Das war´s, das ging zu weit! Hinter ihrem Rücken!
    Gloria hastete in ihr Zimmer, warf wild durcheinander ein paar Klamotten in ihren Rucksack; ein paar Fotos und Geld, das in der Schublade lag und ging auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Einen letzten Blick ließ sie durch die Wohnung schweifen, zog die Haustür hinter sich zu und rannte die Straße entlang. Es fuhren so viele Buslinien zum Bahnhof, dass sie nie länger als fünf Minuten warten musste. Wenn sie eines wusste, dann – dass es über diese Angelegenheit keine Diskussion gab. Sie kannte ihren Vater. Aber sie war kein Kind mehr! Und der ihr vorhin so abstrus vorgekommene Gedanke, in den nächstbesten Zug zu steigen, klang nicht mehr abenteuerlich, sondern ganz real!
    Gloria hastete mit dem Rucksack über der Schulter durch die Bahnhofspassage. Die nächstbeste Treppe zum nächstbesten Gleis würde sie einfach nehmen. Sie schaute nicht einmal auf die Display-Anzeige, in welche Richtung es sie verschlug. Da stand ein ICE. Sie machte noch einen letzten Satz, die Türen schlossen: Gloria
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