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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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Marionette, deren Fäden direkt zum Weltrat führten. Die Nationen des Westens hatten ihre Forschungsanstrengungen in dem Versuch, ökonomisch zu handeln, zu einem Pool zusammengeschlossen. Renfrew hatte den Eindruck, die Politik des Rats beschränkte sich darauf, vor allem spektakuläre Projekte zu unterstützen. Das Kernreaktorprogramm erhielt immer noch einen Löwenanteil, obwohl es keinen erkennbaren Fortschritt zeigte. Die besten Gruppen des Cavs – wie die Radioastronomie – waren letztes Jahr aufgelöst worden, als der Rat beschlossen hatte, Astronomie insgesamt wäre unbrauchbar, und solche Arbeiten sollten »für längere Zeit« ausgesetzt werden. Wie lang dieser Zeitraum genau sein könnte, war eine Frage, welcher der Rat geflissentlich auswich. Er ging von der Grundannahme aus, daß die westlichen Nationen während der sich verschärfenden Krise ihren Forschungsluxus aufgeben müßten. Statt dessen sollten sie sich intensiv auf die Ökoprobleme und die entsprechenden Schreckensnachrichten konzentrieren, die die Schlagzeilen beherrschten. Aber man mußte seinen Mantel nach dem Wind hängen. Renfrew wußte das. Ihm war es gelungen, einen Weg zu finden, Tachyonen einen »praktischen« Zweck zuzuweisen, und dieser Kunstgriff hatte seine Gruppe bislang über Wasser gehalten.
    Renfrew eichte noch einige Geräte – dieser Tage war stets etwas in Unordnung – und legte eine kurze Pause ein, in der er dem geschäftigen Summen des Laboratoriums lauschte.
    »Jason«, rief er, »ich gehe mal eben Kaffee holen. Halten Sie bitte alles in Betrieb.«
    Er nahm seine alte Cordjacke vom Haken und reckte sich ausgiebig, wobei die Schweißflecken im Stoff unter seinen Achselhöhlen sichtbar wurden. Plötzlich bemerkte er zwei Männer oben auf der Plattform. Einer der Techniker zeigte zu Renfrew hinunter und sagte etwas. Als Renfrew seine Arme senkte, betrat der andere Mann den Steg zum Labor hinab.
    Spontan erinnerte Renfrew sich an seine Collegetage in Oxford. Er war einen Gang entlanggeschritten, der ein hohles, widerhallendes Echo zurückwarf, wie nur Steinwerk es kann. Es war ein schöner Oktobermorgen, und er schäumte vor Begierde, sein neues Leben zu beginnen, auf das er sich so lange gefreut hatte, das Ziel langer Studentenjahre. Er hatte gewußt, er war brillant; hier, unter intellektuell Gleichwertigen, würde er endlich seinen rechten Platz finden. Er war am Vorabend mit dem Zug aus York gekommen, und jetzt wollte er in die Morgensonne hinaustreten und alles in sich aufnehmen.
    Zwei von ihnen kamen ihm auf dem Gang entgegengeschlendert. Sie trugen ihre kurzen akademischen Gewänder wie Höflingsroben, und sie gingen, als gehörte ihnen das Gebäude. Während sie sich ihm näherten, unterhielten sie sich laut, und sie musterten ihn, als wäre er ein Ire. Als sie an ihm vorbeigingen, sagte der eine gedehnt: »Mein Gott, schon wieder so ein Bauernlümmel mit Stipendium!« Das hatte die Atmosphäre seiner Jahre in Oxford bestimmt. Natürlich hatte er summa cum laude abgeschlossen, und inzwischen hatte er sich in der Physik einen Namen gemacht. Aber er hatte immer das Gefühl gehabt, daß sie selbst dann, wenn sie ihre Zeit vergeudeten, ihr Leben mehr genossen, als er je können würde.
    Die Erinnerung daran schmerzte ihn, als er Peterson auf sich zukommen sah. Nach so langer Zeit konnte er sich nicht mehr an die Gesichter der beiden studentischen Snobs erinnern, und wahrscheinlich bestand keinerlei physische Ähnlichkeit, aber dieser Mann demonstrierte die gleiche geschmeidige, arrogante Selbstsicherheit. Er bemerkte auch, wie Peterson gekleidet war, und er verabscheute es, die Art der Kleidung eines anderen Manns zu bemerken. Peterson war hochgewachsen, schlank und dunkelhaarig. Aus einiger Entfernung vermittelte er den Eindruck eines jungen, athletischen Stutzers. Er ging leichtfüßig. Nicht wie ein Rugbyspieler, der Renfrew in jungen Jahren gewesen war, sondern wie ein Tennis- oder Polospieler oder vielleicht sogar ein Speerwerfer. Aus der Nähe besehen, sah er aus wie Anfang Vierzig und war zweifellos ein Mann, der es gewohnt war, Macht auszuüben. Er war auf eine sehr strenge Art gut aussehend. Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Verachtung, aber Renfrew dachte bitter, daß er es als Erwachsener wahrscheinlich gelernt hatte, sie zu verbergen. Reiß dich zusammen, John, ermahnte er sich stumm. Du bist der Experte, nicht er. Und lächle!
    »Guten Morgen, Dr. Renfrew.« Die samtglatte Stimme entsprach genau seiner
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