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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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fragte die Alte.
    »Fünf Euro«, sagte Matthias prompt.
    »Zehn«, widersprach ich. Zögernd fügte ich hinzu: »Vielleicht auch zwanzig.« Das war die Maske garantiert wert. Außerdem hatte ich ja das viele Geld für die Schuhe gespart.
    »Zwanzig Euro sind gut«, sagte die Alte freundlich.
    »Für zwanzig Euro ist das ein echtes Schnäppchen«, zischte Matthias, als er mein Zögern bemerkte.
    Ich kämpfte mit meinem Gewissen. Der ganze Laden wirkte auf mich, als sei hier schon lange nichts mehr verkauft worden. Vielleicht war die Alte so sehr darauf angewiesen, endlich wieder ein Stück loszuschlagen, dass sie jeden Preis akzeptierte, egal wie niedrig er war. Am liebsten hätte ich noch fünf Euro draufgelegt, doch die Alte griff sich einfach den Zwanzigeuroschein, den ich hervorkramte, und verschwand wortlos im Hinterzimmer.
    Matthias und ich blieben eine Weile stehen, in der Annahme, sie würde gleich mit einer Tüte zum Einpacken zurückkommen oder uns vielleicht noch einen Kassenbon bringen, doch sie blieb verschwunden.
    »Anscheinend war’s das«, sagte Matthias. »Zwanzig Euro ohne Quittung, das ist so viel wie dreißig mit Quittung, jedenfalls finanzamtsmäßig, sagt meine Mutter immer.«
    Zögernd folgte ich ihm hinaus auf die Gasse, wo ich die Maske vorsichtig in meiner Umhängetasche verstaute.
    Auf dem Weg zum Hotel ließ ich mich von Matthias zu einem Sandwich einladen, bestand aber darauf, die Getränke zu bezahlen. Wir setzten uns auf eine niedrige Mauer und betrachteten die vorbeiströmenden Touristen, während wir unsere Tramezzini 2 aßen und dazu eiskalte Limo tranken.
    »Das tut gut«, sagte Matthias.
    »Ja, lecker«, meinte ich geistesabwesend. Das blöde Jucken hatte wieder angefangen.
    »Weißt du eigentlich schon, was du werden willst?«, fragte Matthias. »Ich meine, nach der Schule.«
    »Nein, noch keine Ahnung. Hauptsache, es hat nichts mit Mathe zu tun. Und du?«
    »Ich wollte schon als kleiner Junge Zahnarzt werden.« Er wurde rot. »Ich lese alles, was es über Zahnmedizin zu wissen gibt.«
    Verblüfft blickte ich ihn an. »Echt? Für das Studium muss man aber gut in der Schule sein!«
    Er wurde noch röter. »Äh … ja, mein Schnitt geht einigermaßen.« Er spähte mir in den Mund. »Du hast tolle Zähne.«
    »Hm, ich musste ja auch zwei Jahre lang eine blöde Zahnspange tragen.«
    »Ich auch. Wir sollten froh darüber sein. Die richtige kieferorthopädische Behandlung führt dazu, dass die Zähne ein Leben lang erhalten bleiben.«
    »Was du nicht sagst.« Besonders spannend fand ich das nicht, für mich hörte sich die Zahnarztbegeisterung eher freakig an. Wer hatte schon Lust auf Zahnspangen und Oberflächenversiegelung?
    Meine Gedanken drifteten ab. Hinter uns ragte eine Kirche auf, in der ich schon gewesen war, und ich versuchte mich daran zu erinnern, wie sie hieß. Doch im Laufe der letzten anderthalb Wochen hatte ich schon zu viele Kirchen besichtigt, allesamt so beeindruckend und mit Kunst vollgestopft, dass man davon förmlich erschlagen wurde.
    »Warst du auch schon in der Santo-Stefano-Kirche?«, fragte Matthias.
    Ich nickte, immer noch geistesabwesend. Santo Stefano, genau. Die Kirche mit dem schiefen Turm und dem merkwürdigen Dach, das von innen aussah wie ein umgedrehter Schiffsrumpf. Matthias hatte anscheinend ein besseres Gedächtnis als ich.
    Ich rieb mir den Nacken, denn das Jucken wurde schlimmer.
    »Was ist los mit dir, hat dich da was gestochen?«
    »Nein, das ist so eine Art Allergie.«
    Was hätte ich auch sonst sagen sollen? Mein Nacken juckt immer, wenn Gefahr im Anzug ist? Er würde sofort glauben, dass ich einen an der Waffel hätte, und das zu Recht. Ich wusste genau, warum ich es keinem erzählte. Außer mir und meinen Eltern wusste niemand davon und von diesen drei Personen waren zwei der Überzeugung, dass ich nicht ganz dicht war. Eine davon war ich.
    Meine Mutter, ganz die Naturwissenschaftlerin, meinte, es handle sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um intermittierende Wahrnehmungsstörungen. Mein Vater hingegen fand, es gebe mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als der Mensch in seiner Vernunft sich erklären könne.
    Öfter als vier Mal war es bisher zum Glück nicht vorgekommen. Beim ersten Mal hatte ich das Jucken im Alter von zehn Jahren gespürt, als ich gerade im Schwimmbad aufs Dreimeterbrett steigen wollte. Mit einem Mal wusste ich, dass mir da oben Gefahr drohte. Also blieb ich unten und sah zu, wie ein anderes Kind
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