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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten
Autoren: Bernhard Moshammer
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Lokal befand sich die gesamte Filmcrew der beliebten Krimiserie ...«
    Jessasmarandjosef!

3. BÖLLING
    Die Frage ist, ob es auch einen Bauern gibt, und wenn ja,
wer er ist und warum er nicht endlich ausmistet.
    Der richtige Erfolg trifft immer die Jungen. Der richtige Erfolg ist nie geplant oder vorhersehbar. Der richtige Erfolg kommt unerwartet und katapultiert einen in irgendeine Position, in der man dann auf ewig gefangen ist. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Genau wie mein Erfolg. Mein Erfolg ist virtuell. Er ist die reinste Nichtexistenz. Was soll’s. Meinen Erfolg kann nur ich allein sehen oder erahnen, erschaffen oder beurteilen. Meine künstlerische Karriere ist das mehr oder weniger schizophrene Produkt meines von niemandem wahrgenommenen genialischen Egos. Und so weiter. Wenn elf Leute meinem Konzert beiwohnen, sage ich: He, das ist mein Erfolg! Elf sind um elf mehr als null. Wenn ich als Vorprogramm einer richtig erfolgreichen Band spielen würde, die Kids sich umdrehen, mit ihren Handys spielen oder noch schnell aufs Klo gehen, ein paar vereinzelte Elternteile dann aber doch applaudieren, würde ich sagen: He, das ist mein Erfolg. Ich meine, versteht mich nicht falsch, ich erwarte keine nackten Zwerge in Leberpastete, wirklich nicht. Aber ein bisschen Leberpastete wäre schön.
    Heute Abend gibt’s Leberpastete, aber das Brot ist frisch. Und Sarah hat kein Problem damit, sagt sie. Wir wohnen jetzt in dem kleinen Haus in Bölling, in dem ich aufgewachsen bin. In der Waldstraße. Meine Eltern haben mit mir getauscht. Jessasmarandjosef, ist das peinlich. Meine fast siebzigjährigen Alten sind nach Wien gezogen und ich zurück in dieses Kaff. Aber, was soll ich sagen, hier wohnen wir ruhig und sicher und, naja, umsonst. Sarahs Großeltern wohnen auch in Bölling und die sind ganz hilfreich, obwohl, sagen wir einfach, sie sind wunderbare, wenn auch schwierige, menschliche Wesen, die es aus irgendeinem Grund nie schaffen, auf den Punkt zu kommen.
    »Cornelius, du liebst doch frisches Brot und so …«
    »Ja?«
    »Naja, du bist doch ein ganz Süßer, ich meine du verschlingst immer gleich den ganzen Topfenstrudel, obwohl die Oma ihn für drei Tage gedacht hat.«
    »Äh, was willst du mir sagen, Opa?«
    »Jessasmarandjosef, verstehst du nicht?«
    »Nein. Oder ja, ich liebe frisches Brot und Topfenstrudel – ist es das, was du mir einfach mitteilen willst?«
    »Du bist ein Idiot, Cornelius.«
    »Danke, Opa.«
    Ich nenne sie »Opa« und »Oma«. Das ist einfacher und ermöglicht Sarah ein gewisses Gefühl von familiärem Netzwerk, wenn ihr versteht. Das hat sie jetzt nötiger als sonst was. Sie ist sehr tapfer gewesen. Die meisten Erwachsenen, die ich kenne, könnten, wenn’s um Konfliktbewältigung geht, jede Menge von ihr lernen. Sie jammert fast nie. Manchmal weint sie unkontrolliert, dann nehme ich sie in den Arm, und wir warten, bis es wieder vorbei ist. In Wien haben sie sie gleich in ein Kriseninterventionsprogramm gesteckt, psychologische Betreuung und so. Hat ihr am Anfang sicher geholfen, aber hier in Bölling gibt’s so was nicht, und Sarah will es auch nicht mehr. Sie ist lieber bei mir, sagt sie. Und weil wir gleich bei Opa und Oma in der Nähe wohnen, keine Miete zahlen müssen und ich versprochen habe, Geld zu verdienen, haben sie mir auch das Sorgerecht übertragen. Opa und Oma heißen Leopold und Lore Ungar und begegnen mir mit einer liebevollen Mischung aus Mitleid und Verachtung. Mitleid, weil sie mich – als Kind eines Alkoholikers – immer schon bemitleidet haben, und Verachtung, weil ich in ihren Augen ein Taugenichts und Sozialschmarotzer bin. Was soll ich sagen, ein Song von mir wird sie kaum vom Gegenteil überzeugen, deshalb versuch ich es erst gar nicht.
    »
Dies ist die Zeit der Idioten,
der geschmacklosen Quoten,
der Verwöhnten,
geklont Verschönten
mit ihren eierlosen Zoten

    »Cornelius?«
    »Ja, Sarah?«
    »Der Opa hat gesagt, du könntest in der Bäckerei arbeiten.«
    »Ich weiß.«
    »Und? Machst du es?«
    »Ich weiß nicht. Es ist nicht gerade das, was ich mir vorstelle, verstehst du?«
    »Was stellst du dir vor?«
    »Naja, ich stelle mir einen Bäcker vor, der eine ganz spezielle Teigmischung erfunden hat. Sein Brot schmeckt gut, aber irgendwie anders. Er ist sehr stolz auf seine Arbeit, aber seine Semmeln sind eckig und seine Krapfen haben keine Marmeladenfüllung, und deshalb kauft niemand bei ihm ein.«
    »Ich würde sofort Krapfen ohne Marmelade
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