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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod
Autoren: Petra Busch
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Schummerlicht sah er das hell verspritzte Heck. Salz. Er musste dringend in die Waschanlage, so fuhr kein Star herum! Am linken vorderen Kotflügel zog sich ein langer Kratzer durch den Lack. Er stutzte. Schüttelte den Kopf. Er sollte wirklich konzentrierter fahren, wenn er in den Proben steckte. Nicht zum ersten Mal passierte ihm ein solches Malheur.
    Assmann stieg ein und rief seine Frau an. Dass es hier unten Empfang gab, war ihm schon immer ein Rätsel gewesen. »Ich war großartig, Lene!« Er startete den Motor.
    Sie seufzte. »Ohne Zweifel!«
    »Wien, ich komme!«
    »Und wenn wir dort sind, wirst du wieder normal, versprochen?«
    Er stellte sich Lenes Mund vor, neben dem sich immer verräterische Grübchen bildeten, wenn sie Kritik in nette Sätze packte. Aber sie hatte ja recht. Letzten Donnerstag hatte er schlichtweg vergessen, seine Tochter abzuholen. »Versprochen.«
    »Jetzt mach dich auf. Becci wartet sicher schon!«
    »Wir sind gleich zu Hause, Schatz.«
    Er rangierte aus der Parklücke, schob die Codekarte in den Automaten und brauste summend zur Schule seiner Kinder.
    Faust.
    Er parkte vor dem langgestreckten Gebäude am Straßenrand.
    Sein Durchbruch!
    Assmann ging auf die Glastür des Gymnasiums zu, als eine zierliche Frau heraustrat. Ihr Haar lag schwarz und glänzend über einer roten Jacke, doch die Fältchen um Augen und Mund zeugten davon, dass die Farbe künstlich war und das Grau überdeckten. Über ihrer Schulter hing eine Aktentasche, deren Riemen sie mit einer schmalen Hand umfasste.
    »Herr Assmann!« Sie strahlte.
    Er lächelte betont charmant und gab ihr die Hand. Sie war trocken, fast wie die Kreide, mit der sie wahrscheinlich die letzten Stunden Zahlen und Zeichen an die Tafel geschrieben hatte. »Frau Heinemann! Ich freue mich. Wie macht sich Rebecca im Rechnen?«
    »Nun ja, bei der Multiplikation von natürlichen Zahlen hat sie …«
    Er winkte ab. »Ich war eine Null in Mathematik. Aber wer braucht schon Naturwissenschaften. Allein mit der Kunst schaffen wir uns ein lebenswertes Leben. Jetzt geht’s erst einmal nach Hause. Wo steckt mein Wirbelwind?«
    Das Lächeln, mit dem sie ihn fixiert hatte, erstarb, und er dachte, sie nehme ihm den Spruch krumm. Er sollte rücksichtsvoller sein in seiner Euphorie.
    »Aber … Rebecca ist nicht da.«
    »Nicht da? Was soll das heißen?« Also doch nicht seine Bemerkung mit der Kunst. »Ist sie schon aufgebrochen? Allein?«
    »Sie war nicht in der Schule.«
    »Wie bitte?« Assmann trat von einem Fuß auf den anderen. »Das kann nicht sein. Ich habe meine Kinder doch selbst zur Straßenbahn-Haltestelle gefahren.«
    »Tut mir leid. Sie war wirklich nicht –«
    »Und warum haben Sie meine Frau nicht verständigt? Sie wissen doch, dass –«
    »Ich weiß, Herr Assmann. Aber« – mit einer Armbewegung umfasste sie die Umgebung – »sehen Sie sich diesen Tag an. Fast ein Drittel der Kinder fehlt. Haben Sie heute Morgen im Radio gehört, wie viele Autos nicht anspringen? Wie überfüllt die Wartezimmer bei den Ärzten sind?« Ihre Wangen röteten sich. »Viele Busse fallen aus. Außerdem war Rebecca gestern etwas erkältet. Sie klang heiser und hatte glasige Augen, ich dachte, dass –«
    »Ich bin schließlich auch hier!«
    Die Lehrerin sah zu seinem Auto. Ein Jeep
Grand Cherokee Overland,
schwarz glänzend, mit Chrom-Seitenleisten und -Kühlergrill, beheizbarem Lenkrad und beleuchteten Türgriffen. Drei Monate alt. Er stand im absoluten Halteverbot. Frau Heinemann, deren Vorname ihm partout nicht einfallen wollte, hob eine Augenbraue, sagte aber nichts.
    Günther überlegte kurz. Vielleicht war Rebecca mit ihrem Bruder losgezogen. Die Kinder besuchten dieselbe Schule, doch die Unterrichtszeiten seines Sohnes kannte er nicht genau. »Wo ist Marius?«
    Aus grauen Augen blickte sie ihn direkt an, und er meinte, Sorge darin zu erkennen. »Ich glaube … einen Moment.« Sie verschwand durch die Glastür, und hinter der grünlichen Scheibe sah er sie durch eine Halle und an deren Ende eine Treppe hinaufeilen.
    Schnee setzte sich auf seinen Mantel. Assmann klopfte ihn herunter und zog eine zerknitterte Packung Gauloises aus der Manteltasche. Seine Finger wurden rot und kalt, und sein Atem kroch in winzigen Wolken aus seinem Mund, während er den Rauch tief in seine Lungen sog.
    Möglicherweise hatte Rebecca ja nur den Matheunterricht versäumt, und diese Heinemann dachte, sie sei den ganzen Tag nicht in der Schule gewesen. Wobei heute früh irgendeine
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