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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Autoren: Robin Hobb
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dass die Bandage wie ein zusätzliches Hemd aussah, das sie unter ihrem Oberhemd trug. Amber hatte ihr gezeigt, wie sie doppelt gefaltete dunkle Socken als Binden nehmen konnte. »Schmutzige Socken kannst du immer erklären«, sagte Amber. »Kultiviere einfach eine empfindliche Persönlichkeit und wasch deine Sachen doppelt so oft wie alle anderen. Nach einer Weile wird keiner mehr darauf achten. Und gewöhne dich daran, weniger zu schlafen. Denn du wirst entweder früher aufstehen müssen als die anderen oder länger aufbleiben, um deinen Körper zu verstecken. Und das eine lege ich dir besonders ans Herz:
    Vertraue niemandem dein Geheimnis an. Kein Mann könnte das für sich behalten. Und wenn erst ein Mann an Bord eines Schiffes weiß, dass du eine Frau bist, werden es bald alle erfahren.«
    Das war das einzige Gebiet, auf dem Amber sich möglicherweise verschätzt hatte. Denn Brashen wusste, dass sie eine Frau war, und er hatte sie nicht hintergangen. Jedenfalls noch nicht. Plötzlich musste Althea grinsen, als ihr die Ironie aufging. In gewisser Weise habe ich deinen Rat angenommen, Brashen, dachte sie. Ich habe dafür gesorgt, als Junge wiedergeboren zu werden und nicht als ein Vestrit.

    Brashen lag in seiner Koje und starrte die gegenüberliegende Wand an. Sie war nicht allzuweit von seinem Gesicht entfernt.
    Früher einmal hätte ich diese Kabine als Kleiderschrank bezeichnet, dachte er. Jetzt wusste er den Luxus zu schätzen, den es bedeutete, einen Platz für sich allein zu haben, und sei er auch noch so winzig. Sicher, es war kaum genug Raum, dass ein Mann sich umdrehen konnte. Aber er hatte seine eigene Pritsche, in der niemand außer ihm selbst schlief. Es gab Haken für seine Kleidung, und eine Ecke war sogar groß genug, dass seine Seemannskiste dorthin passte. In der Koje konnte er sich gegen den Sims stemmen und so gut wie sicher schlafen, wenn er wachfrei hatte. Die Kabinen des Kapitäns und des Ersten Maats waren natürlich erheblich größer und besser ausgestattet, selbst auf einer Schaluppe wie dieser. Aber auf vielen anderen Schiffen musste der Zweite Maat mit denselben Quartieren vorlieb nehmen wie die Mannschaft. Er war dankbar für diese winzige Oase der Ruhe, selbst wenn sie ihm durch den Tod von drei Männern zugefallen war.
    Er hatte als ganz gewöhnlicher Seemann angeheuert und den ersten Teil der Reise knurrend und knuffend mit dem Rest der Männer seiner Wache im Vorschiff verbracht. Doch schon sehr früh war ihm aufgefallen, dass er nicht nur über erheblich mehr Erfahrung verfügte als der Rest seiner Kameraden, sondern auch über mehr Ansporn, seinen Job gut zu erledigen. Die Reaper war ein Walfänger, ein Schlachterschiff aus Candletown, weit aus dem Süden, direkt an der nördlichen Grenze von Jamaillia.
    Als das Schiff die Stadt vor vielen Monaten im Frühling verlassen hatte, war fast nur eine gepresste Mannschaft an Bord gewesen. Eine kleine Handvoll erfahrener Seeleute bildete das Rückgrat, und ihnen oblag die Pflicht, die Neuen zu Matrosen zu formen, wenn es sein musste, mit Schlägen. Einige waren Schuldner, deren Arbeitskraft von ihren Gläubigern verkauft worden war, um sie dazu zu zwingen, diese Schulden zurückzuzahlen. Andere waren schlicht Kriminelle, die aus den Gefängnissen des Satrapen gekauft worden waren. Die Diebe und Taschendiebe unter ihnen hatten ihre Gewohnheiten entweder sehr schnell abgelegt oder waren umgekommen. Die Enge auf einem Schlachterschiff förderte nicht gerade die Toleranz solcher Laster bei Kameraden. Diese Mannschaft arbeitete nicht willig, und es war höchst unwahrscheinlich, dass alle Mitglieder die Strapazen einer solchen Reise überlebten. Als die Reaper Bingtown erreichte, hatte sie ein Drittel ihrer Crew durch Krankheit, Unfälle und Gewalt verloren. Die Überlebenden hatten gelernt, die langsamen Schildkröten und die sogenannten Brackwasser-Wale der südlichen Meeresarme und Lagunen zu jagen. Natürlich konnte man ihre Arbeit nicht mit den Fähigkeiten der professionellen Jäger und Häuter vergleichen, die auf dem Schiff den vergleichsweisen Luxus einer trockenen Kammer und des Müßiggangs genossen. Diese etwa ein Dutzend Männer nahmen niemals ein Tau in die Hand oder standen Wache. Diese Männer schlugen nur ihre Zeit tot, bis das Schlachtfest begann. Dann jedoch arbeiteten sie mit einer ungeheuren Wildheit und schliefen oft tagelang nicht, solange die Jagd gut lief. Aber es waren keine Seeleute, und sie gehörten auch nicht zur
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