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Zauber einer Winternacht

Zauber einer Winternacht

Titel: Zauber einer Winternacht
Autoren: Nora Roberts
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ließ sie allein. Der Schnee tropfte von ihrem Mantel auf den Webteppich, der innen vor der Tür lag.
    Die Bilder. Laura stand wie angewurzelt da und starrte mit offenem Mund auf die Bilder. Sie bedeckten die Wände, standen in allen Ecken, stapelten sich auf Tischen. Nur einige von ihnen waren gerahmt. Sie benötigten keine zusätzliche Verzierung. Einige waren halb fertig, als hätte der Künstler das Interesse oder die Motivation verloren. Es gab welche in Öl, in lebendigen grellen Farben, und es gab Aquarelle, in weichen dunstigen Schattierungen wie aus einem Traum entsprungen. Laura schlüpfte aus dem Mantel und besah sie sich genauer.
    Sie entdeckte ein Motiv aus Paris, aus dem Bois de Boulogne. Sie erinnerte sich nur zu gut an den Park. In ihren Flitterwochen war sie dort gewesen, und jetzt wurden ihre Augen feucht. Nach einem tiefen Atemzug zwang sie sich, das Bild anzusehen, bis ihre Gefühle sich wieder legten.
    Eine Staffelei stand neben dem Fenster, sodass das Licht auf die Leinwand fiel. Sie widerstand der Versuchung, hinüberzugehen und einen Blick auf das Bild zu werfen. Schon jetzt hatte sie das Gefühl, ein Eindringling zu sein.
    Was sollte sie bloß tun? Laura presste die Hände gegeneinander, als sie sich der Verzweiflung auslieferte, die in ihr aufstieg. Sie kam sich wie eine Schiffbrüchige vor. Ihr Wagen war hinüber, ihr Geld ging zur Neige. Und das Baby … Das Baby würde nicht warten, bis sie die Dinge wieder in Ordnung gebracht hatte.
    Wenn sie sie jetzt fanden …
    Sie würden sie nicht finden. Mit einem Blick auf ihre verschränkten Hände löste sie die Finger voneinander. Bis hierher hatte sie es geschafft. Niemand würde ihr das Baby wegnehmen. Jetzt nicht und niemals.
    Als die Tür geöffnet wurde, drehte sie sich um. Gabriel wuchtete die Taschen ins Innere der Hütte und ließ sie auf einem Haufen liegen. Dann zog auch er den Mantel aus und hängte ihn über einen Haken neben der Tür.
    Seine Figur war so schlank, wie es das Gesicht hatte erwarten lassen. Selbst wenn er nicht ganz eins achtzig groß war, so ließ ihn doch sein athletischer Körperbau hochgewachsen und kraftvoll erscheinen. Mehr wie ein Boxer als wie ein Künstler, ging es Laura durch den Kopf, als er heftig aufstampfte, um die Stiefel vom Schnee zu befreien. Mehr wie ein Mann, der das Leben im Freien gewohnt war, als einer, der in eleganten Landhäusern und den feinsten Kreisen zu Hause war.
    Was sie über seine aristokratische Herkunft wusste, passte so gar nicht zu dem, was er trug. Flanellhemd und Cordhose waren das perfekte Outfit für diese rustikale Hütte in den Bergen. Laura stammte aus bescheideneren Verhältnissen und fühlte sich in ihrem dicken irischen Strickpullover irgendwie fehl am Platze.
    »Gabriel Bradley«, sagte sie und wies mit weit ausholender Geste auf die Wände. »Natürlich. Warum bin ich nicht früher darauf gekommen? Ich liebe Ihre Werke.«
    »Danke.« Er bückte sich und griff nach zwei der Taschen.
    »Lassen Sie mich Ihnen …«
    »Nein.« Er ging mit schnellen Schritten in die Küche und ließ sie einfach stehen. Sie biss sich auf die Unterlippe.
    Meine Gegenwart scheint ihn nicht gerade zu begeistern, dachte sie. Dann zuckte sie mit den Schultern. Es war nicht zu ändern. Sobald das Wetter es zuließ, würde sie wieder aufbrechen. Und bis dahin … Bis dahin würde Gabriel Bradley, Künstler des Jahrzehnts, eben mit der Situation fertig werden müssen.
    Sie widerstand der Versuchung, sich hinzusetzen und ihm alles Weitere zu überlassen. Früher hätte sie ihr nachgegeben, aber das Leben hatte sie verändert. Sie folgte ihm in die Küche. Wenn das Baby in ihrem Bauch mitgezählt wurde, befanden sich jetzt drei Personen in dem winzigen Raum, dessen Fassungsvermögen damit erschöpft war.
    »Lassen Sie mich Ihnen wenigstens etwas Heißes zu trinken machen.« Der uralte Zwei-Platten-Herd sah problematisch aus, aber sie war entschlossen, etwas zu tun.
    Er drehte sich um, streifte dabei ihren runden Bauch und war erstaunt, wie unangenehm es ihm war. Und wie sehr ihn die Berührung zugleich faszinierte. »Hier ist der Kaffee«, murmelte er und gab ihr eine frische Dose.
    »Haben Sie eine Kanne?«
    Die lag noch im Spülbecken voller Wasser, das schon nicht mehr schäumte. Gabriel hatte versucht, die Kanne von den Flecken zu säubern, die der letzte Gebrauch auf dem Porzellan hinterlassen hatte. Er drehte sich um, kollidierte erneut mit Laura und wich hastig zurück.
    »Warum überlassen Sie
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