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Young Sherlock Holmes 4

Young Sherlock Holmes 4

Titel: Young Sherlock Holmes 4
Autoren: Andrew Lane
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protestierte Sherlock.
    »Dann füge etwas von dir selbst hinzu. Zum Beispiel ein paar Gefühle.«
    »Aber
wie

    Stone schüttelte den Kopf. »Es geht um die kleinen Lücken, die man einbaut: Pausen, subtile Betonungen, leichte Beschleunigungen und Verzögerungen. So entstehen die Gefühle.«
    Sherlock wies auf das Musikstück auf dem Notenständer. »Aber das steht da nicht drin! Hätte der Komponist gewollt, dass ich irgendwo schneller oder langsamer spiele, hätte er es in die Noten geschrieben.«
    »Hat er«, stellte Stone klar. »Auf Italienisch. Das ist aber nur eine Orientierungshilfe. Wie du das Stück spielen willst, musst du selbst entscheiden.« Wieder seufzte er. »Das Problem ist, dass du dabei wie an eine Mathematik- oder Grammatikaufgabe herangehst. Du möchtest alle Fakten vor dir ausgebreitet sehen und denkst, deine Aufgabe besteht darin, alles zusammenzusetzen. Aber so funktioniert Musik nicht. Musik erfordert Interpretation. Sie will, dass du etwas von dir selbst mit hineinlegst.« Er hielt inne und versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Jedes Spiel ist in Wirklichkeit ein Duett zwischen dir und dem Komponisten. Den Hauptteil hat er beigesteuert, aber du musst die letzten zehn Prozent hinzufügen. Es ist wie der Unterschied zwischen dem Vorlesen oder dem Nachspielen einer Geschichte.« Den verzweifelten Ausdruck in Sherlocks Gesicht wahrnehmend, fuhr er fort: »Schau mal, hast du jemals erlebt, wie der Schriftsteller Charles Dickens eine seiner Geschichten vor Publikum gelesen hat? Mach das mal – das Eintrittsgeld ist es wert. Er verleiht jeder Figur eine eigene Stimme, tigert auf der Bühne auf und ab, liest an den spannenden Stellen plötzlich schneller und auf eine Weise, als hätte er sie noch nie zuvor gelesen, und er scheint genauso wie das Publikum begierig darauf zu sein, zu erfahren, was gleich passiert.
So
solltest du Musik spielen – als ob du sie noch nie zuvor gehört hast.« Er schwieg und verzog das Gesicht. »In einer positiven Art, meine ich natürlich. Das Problem bei dir ist, dass du die Melodie spielst, als ob du sie noch nie zuvor gehört hast und versuchst, sie beim Spielen herauszufinden.«
    Das traf so ziemlich den Nagel auf den Kopf, fand Sherlock.
    »Soll ich lieber aufgeben?«, fragte er.
    »Niemals!«, erwiderte Stone heftig. »Du darfst nie aufgeben. Egal worum es geht.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein langes Haar. »Vielleicht bin ich das Ganze falsch angegangen. Lass uns einen anderen Weg versuchen. Also gut, du näherst dich der Musik, als hättest du es mit einem mathematischen Problem zu tun – na schön, dann sehen wir uns doch mal nach Komponisten um, die mathematische Elemente in ihre Musik hineingeschrieben haben.«
    »Gibt es denn welche?«, fragte Sherlock zweifelnd.
    Stone dachte einen Augenblick nach. »Lass mich überlegen. Johann Sebastian Bach war überaus bekannt dafür, mathematische Tricks und Codes in seine Melodien zu integrieren. Wenn du dir sein sogenanntes
Musikalisches Opfer
anschaust, so enthält es Passagen, die Spiegelbilder ihrer selbst sind. So ist zum Beispiel die erste und die letzte Note identisch, ebenso wie die zweite und die zweitletzte und so weiter und so weiter bis hin zur Stückmitte.«
    »Wow.« Die Kühnheit der Idee verblüffte Sherlock. »Und trotzdem funktioniert es noch als Musik?«
    »Oh, ja. Bach war ein großartiger Komponist. Seine mathematischen Tricks lenken nicht von der Musik ab, sondern vervollkommnen sie.« Stone lächelte, als er erkannte, dass er endlich Sherlocks Aufmerksamkeit errungen hatte. »Ich bin keineswegs ein Bach-Experte. Aber wie ich gehört habe, gibt es ein weiteres Stück von ihm, das um eine Art mathematische Sequenz herum konstruiert ist und in dem auf Basis einer Gesetzmäßigkeit eine Zahl zur nächsten führt. Es hat einen italienischen Namen. Jetzt lass uns aber noch einmal unseren Mozart versuchen. Doch dieses Mal möchte ich, dass du etwas von den Gefühlen hineinlegst, über die wir gesprochen haben. Denke an sie, spüre sie und lass sie deine Finger führen.«
    Sherlock brachte die Violine wieder an die Schulter und schmiegte sie in die Mulde zwischen Hals und Kinn. Er ließ die Finger der linken Hand über die Saiten am Sattel des Instrumentes gleiten und spürte, wie hart seine Fingerkuppen unter den unerbittlichen Lektionen Rufus Stones geworden waren. Dann hob er den Bogen und brachte ihn über den Saiten in Position.
    »Fang an«, sagte Stone.
    Sherlock starrte
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