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Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!

Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!

Titel: Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Autoren: Unbekannt
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Wochen vor der Wahl ins hohe Amt, kommentiert die «Neue Zürcher Zeitung» seine Kür zum offiziellen Bundesratskandidaten der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei ziemlich giftig:
    «Das gute Resultat kann allerdings nicht darüber wegtäuschen, dass die verbreiteten Bedenken, ob er auch über das nötige geistige Format für das höchst anspruchsvolle Amt verfügt, nicht ausgeräumt sind.»
    Die Bedenken sind längst ausgeräumt. Obwohl der Stachel noch immer tief sitzt, kann er heute mit der einstigen Aberkennung seiner geistigen Fähigkeiten sogar kokettieren: «Ich schrieb Briefe – ohne Akkusativfehler», wird er im Verlaufe der Festrede sagen.
    Der Beweis ist längst erbracht: Auch aus einfachen Verhältnissen kann man es sehr weit bringen.

    1995 Vater und Sohn.
    Der Festredner beginnt zu sprechen. Thema: «Erlebnis Gebirge». Es wird eine Brandrede. Der Ehrendoktor der Universität habe «den Anlass geerdet», schreibt später Dr. This Rutishauser, Journalist und Dozent am Geographischen Institut der Uni Bern. Der rhetorisch glänzende Förstersohn, Berggänger, Verteidigungs- und Verkehrspolitiker habe am eigenen Leib die Natur in allen Facetten erlebt, die die Berner Geografinnen und Geografen detailgetreu erforschen, hält Rutishauser fest.
    Nämlich zusammen mit seinem Vater, der zentralen Figur in seinem Leben. Der Festredner erinnert sich vor dem akademischen Publikum:
    «Mein Vater hat als Bergführer und Förster drei Gletscher ausgemessen: Den Blüemlisalpgletscher, den Schwarzgletscher und den Kanderfirn. Als kleiner Bub durfte ich meinen Vater beim Ausmessen begleiten.»
    Sein Vater habe mit über 1 000 Jungtannen den Wätterbach aufgeforstet und den Bach mit naturnahen baulichen Massnahmen gezähmt.
    «Es ist eine wahre Geschichte, die ich mit meinen bald 70 Jahren im Bewusstsein herumtrage.»
    Der Chronist, This Rutishauser, spürt es richtig: Das intensive Miterleben des naturnahen Wirkens seines Vaters hat den Buben zeitlebens geprägt. So ist denn auch vom Festredner zu hören: «Der Berg, der Gletscher, das Wasser, die Natur haben in meinem Leben immer eine Rolle gespielt.» Auch die beginnende Klimaveränderung hat er bereits an der Hand des Vaters miterlebt:
    «Die Gletscher schmelzen. Ich weiss es!»
    Und dann zieht er das akademische Publikum vollends in seinen Bann. Mit einer Anekdote. Vor allem im englischen Sprachraum habe er während seiner UNO-Zeit gelernt, dass man immer eine gute Anekdote in eine Rede einbauen sollte, wenn man mit ihr ankommen möchte. Also: Mobilität in den Schweizer Alpen. Aufgeheizte Stimmung. Ende der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Der Druck des Auslands, für mehr Mobilität und vor allem für mehr Lastwagenfreiheit in den Schweizer Alpen zu sorgen, ist enorm.
    «Chum und Lueg», nennt er seine Offensive, bei der alle Verkehrsminister Europas mit ihm nach Wassen reisen müssen. Zu Einzelabreibungen.
    Vor dem Kirchlein von Wassen, «vor dieser wunderbaren Kirche auf diesem Hügel», steht er jeweils zusammen mit den Verkehrsministern der diversen europäischen Staaten und zeigt mit dem rechten Arm ins Gelände:
    «Hier haben Sie die Reuss!»
    «Hier haben Sie die Staatsstrasse!»
    «Hier haben Sie die Eisenbahn!»
    «Hier haben Sie die Autobahn!»
    Und dann schweift der Blick ins Tal und er erhebt die Stimme:
    «Und in diesem Raum haben Sie vor allem den Lärm!» Die meisten hätten die Botschaft verstanden. Einige nicht. Mit denen sei er anschliessend ins Kirchlein gegangen und habe sie eindringlich ins Gebet genommen. Der erste Lacher des akademischen Publikums, noch etwas verhalten.
    Doch dann war da einer, der habe es einfach überhaupt nicht begreifen wollen: Jean-Luc Dehaene, Verkehrsminister Belgiens und späterer Ministerpräsident. Als Vorsitzender der belgisch-französischen Dexia Bank erhält Dehaene noch späte Berühmtheit: Er muss die in Schieflage geratene Grossbank im Oktober 2011 aufspalten.
    «Du könntest, aber du willst nicht!», habe ihm Jean-Luc entgegengeschleudert. Er konnte den Dehaene um nichts in der Welt überzeugen.
    Da habe er glücklicherweise einen Geistesblitz gehabt: Es sei abgemacht gewesen, zum «Zvieri» mit dem Helikopter nach Kandersteg zu fliegen. Der Pilot erhält den Befehl, einen Abstecher zur Eigernordwand zu unternehmen: «In der Wand, auf 3 800 Meter Höhe, ganz nahe am Fels, in dieser schwarzen Wand, wird angehalten!»
    Der zweite Lacher, schon etwas lauter.
    Er habe selber etwas Angst gehabt.
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