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Würstelmassaker

Würstelmassaker

Titel: Würstelmassaker
Autoren: Pierre Emme
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muss mir das zumindest anhören. Wenn Du möchtest, komme ich nachher im Kommissariat vorbei .«
    Wallner hielt das für eine ausgezeichnete Idee und so verabredeten sich die beiden für den späteren Vormittag.

     
    *

     
    »12 Minuten zu spät«, grollte Henriette Wenger, »dass du es nie schaffst, pünktlich zu sein .« Dann ließ sie den vorgetäuschten Ärger weg und öffnete ihre Arme weit. »Komm her, lieber Bub, lass dich anschauen. Du bist aber schmal geworden .«
    Palinski freute sich über dieses markante Beispiel subjektiver und durch die rosa Brille gefärbte Wahrnehmung, die irgendwo auch etwas mit der Relativitätstheorie zu tun hatte. So trug die ihm von Wilma verordnete, von Sadismus geprägte Ernährungstortur wenigstens auch Früchte. Obwohl dieses Bild in dem Zusammenhang nicht ganz passte, wie er sich im selben Moment eingestand.
    »Du bist gerade noch rechtzeitig gekommen«, Nettie hatte es heute auffallend eilig, sofort zur Sache zu kommen. »Ich fürchte, die Leiche wird in Kürze abgeholt werden .«
    »Welche Leiche ?« , wollte der 45-jährige »liebe Bub« wissen.
    »Frau Kommerzialrat Stauffar, die das Appartement neben meinem bewohnt hat, ist letzte Nacht gestorben. Sie war erst 77 Jahre alt und bei bester Gesundheit. Soviel ich gehört habe, an plötzlichem Organversagen. Aber«, ihre Stimme wurde plötzlich lauter und bestimmt, »ich bin sicher, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Die letzten drei Tage hat sie plötzlich eigenartige Symptome gezeigt. Hohes Fieber, Brechdurchfall und später, in der Pflegeabteilung auch Koliken. Und das bei einer Frau, die in den fünf Jahren, die ich sie kenne«, betreten korrigierte sie sich, »kannte, keinen einzigen Tag krank gewesen ist.«
    »Nettie, ich bitte dich. In diesem Alter sterben Menschen nun einmal. Da genügt mitunter schon ein verdorbener Magen .« Noch während Palinski diesen Satz von sich gab, wurde ihm bewusst, zu wem er ihn sprach und wie sein Gegenüber das Gesagte aufnehmen musste.
    »Ich meine, wir alle wissen doch am Abend nicht, ob wir am nächsten Morgen wieder aufwachen werden«, versuchte er die Kurve doch noch irgendwie zu bekommen.
    »Ja, so seid Ihr Jungen eben. Wenn jemand alt ist, dann ist sein Tod in jedem Fall etwas ganz Normales«, begehrte Nettie auf. »Außer das Messer steckt noch in der Brust. Diese unkritische Einstellung eröffnet raffinierten Mördern Tür und Tor.
    Elisabeth hatte aber nicht einmal noch die allgemeine Lebenserwartung erreicht, ganz zu schweigen von der geschlechtsspezifischen. Nein, nein, an der Art, wie sie gestorben ist, ist etwas faul. Sehr faul.« Sie nahm Palinski am Arm und blickte ihn bittend an. »Und du wirst das beweisen. Bitte Mario.«
    »Aber …«, wollte der einwenden, hatte aber keine Chance gegen die eloquente alte Dame.
    »Weißt du überhaupt, wie hoch die weitere Lebenserwartung einer heute 77-jährigen ist? Nicht nur die vier Jahre bis zur Erreichung des statistischen Mittelwertes, sondern wesentlich länger.« Nettie dachte nach. »Ich glaube, ich habe einmal gelesen, dass die 80-jährigen im Durchschnitt über 86 Jahre alt werden .« Triumphierend blickte sie Palinski an. Das unausgesprochene: »Na da schaust du aber, du dummer Bub«, stand ihr unübersichtlich ins Gesicht geschrieben.
    Palinski musste zugeben, dass der Vorwurf nicht ganz unbegründet war und Netties Argumentation etwas für sich hatte. Also gut, er würde sich die Sache ansehen. Wenn auch nur, um die alte Dame zu besänftigen.
    »Du hast ja recht«, er nahm neben Tante Nettie Platz und ihre Hand. »Dann erzähle einmal, was geschehen ist .«

     
    *

     
    Als der Leichnam der so plötzlich verblichenen Frau Kommerzialrat durch Heirat eine knappe Stunde später abgeholt werden sollte, war Palinski soweit, die Bedenken seiner Nenntante nicht völlig als Auswüchse einer fortgeschrittenen Paranoia abzutun. Sofern Netties Informationen zutrafen, waren einige Vorkommnisse der letzten Tage tatsächlich aufklärungsbedürftig.
    Die Tote hatte unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle gestanden und war für ihr Alter kerngesund gewesen. Dann trat vor fünf Tagen das hohe Fieber auf, für das es keine Erklärung gab.
    Nettie erinnerte sich auch daran, dass Frau Stauffar sich einige Tage vor ihrer Erkrankung beim Duschen durch etwas Spitzes, am Duschhocker Liegendes, leicht am Gesäß verletzt hatte. Sie wusste das deshalb so genau, da ihr aufgefallen war, wie die Frau Kommerzialrat beim
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