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Würfelwelt (German Edition)

Würfelwelt (German Edition)

Titel: Würfelwelt (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg
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vorsichtig genug mit seinem Nachwuchs umgegangen bin.
    Das Ei hat sich nicht in Luft aufgelöst, das spüre ich. Es ist noch da.
    Es ist in mir.
    Nicht in dem Sinn, dass ich es verschluckt hätte oder so. Es ist eher – ein Gedanke. Wenn ich die Welt um mich herum ausblende und mich auf mein Inneres konzentriere, sehe ich es ganz deutlich vor mir. Und da ist noch etwas: ein Kastenmännchen mit einem türkisblauen Oberkörper, dunkelblauen Beinen und einem schielenden Gesicht, das dem des Schafs an Dümmlichkeit ebenbürtig ist. Das bin doch nicht etwa ich?
    Erschrocken blicke ich an mir herab. Tatsächlich: Meine Arme und Beine haben dieselbe Farbe.
    Was hat das zu bedeuten? Und warum habe ich das Gefühl, dass das Ei in mir mehr ist als nur ein Gedanke?
    Mich befällt auf einmal Ekel. Ich will dieses Ding wieder loswerden. Und es funktioniert: Plötzlich fliegt das Ei aus mir heraus, als hätte mein Gehirn es ausgespuckt. Begleitet von einem Ploppgeräusch beschreibt es einen Bogen durch die Luft und schwebt schließlich über einem Sandquadrat neben mir.
    Cooler Trick!
    Ob das wohl auch mit dem Entenschnabelhuhn funktioniert? Das Wesen ist ganz zutraulich und hat keine Angst vor mir, als wüsste es, dass es nichts zu befürchten hat. Und tatsächlich – es ploppt nicht.
    Ich sehe mich um. Vielleicht kann ich ja noch mehr Dinge in Gedanken verwandeln? Wie wäre es zum Beispiel mit etwas Sand?
    Ich will danach greifen, doch ich habe ja keine Hände. Frustriert schlage ich nach einem der Sandwürfel vor mir. Es macht ein knirschendes Geräusch und so etwas wie Sprünge erscheinen in der Oberfläche. Nach einem Augenblick verschwinden sie wieder. Seltsam! Ich schlage ein paar Mal zu, es macht Plopp, und der Sandwürfel ist verschwunden. Dafür habe ich jetzt einen klaren Gedanken an ihn in mir.
    Ich drehe mich um 90 Grad und denke, dass ich den Würfel gern dort platzieren würde. Eine verkleinerte Version des Sandwürfels erscheint dort, wo eigentlich meine rechte Hand sein sollte. Jetzt bedarf es nur noch eines zweiten Gedankens, um aus dem kleinen Würfel in meiner Hand einen großen auf dem Boden zu machen.
    Ich kann nicht nur durch diese Welt wandern, ich kann sie verändern!
    Probehalber sammele ich noch ein paar Sandblöcke ein und schichte sie aufeinander, bis ich eine kleine Säule errichtet habe. Es ist ein bisschen irritierend, dass der Sand nicht herabrieselt und zu einem Haufen zusammenfällt. Aber das ist nicht die merkwürdigste Eigenschaft dieser Würfelwelt.
    Das Licht verändert sich. Während ich hier im Sand gespielt habe, ist die Sonne ein ganzes Stück über den Himmel gewandert. Jetzt nähert sie sich bereits dem Horizont und taucht die Welt in orangerotes Licht.
    Fasziniert betrachte ich den Sonnenuntergang, der weniger als eine Minute dauert. Schon erscheinen Sterne am Himmel. Ein quadratischer Mond erhebt sich und färbt die Landschaft blaugrau.
    Ich fühle mich plötzlich unbehaglich.
    Ein dumpfes, stöhnendes Geräusch, das wie „Unngh“ klingt, lässt mich herumfahren. Eine Gestalt kommt mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Sie sieht mir nicht unähnlich – dieselben Kastenarme, dasselbe türkisblaue Hemd, dieselbe dunkle Hose – doch ihre Haut ist olivgrün.
    „Hallo!“, sage ich. „Wer bist du?“
    „Unngh!“, macht der Kastenmann. Als sein ausgestreckter Arm mich berührt, durchfährt mich eine Art elektrischer Schlag. Es tut nicht sehr weh, ist aber verdammt unangenehm.
    Ich will Reißaus nehmen, doch jetzt kommen von allen Seiten Wesen auf mich zu. Einige sehen so aus wie der Kerl mit der grünen Haut. Andere gleichen Abstraktionen von menschlichen Skeletten, die mit Pfeil und Bogen auf mich schießen. Das am freundlichsten aussehende Wesen erinnert mich an eine rechteckige Gurke auf vier würfelförmigen Stummelbeinchen. Als ich darauf zu laufe, stößt es zur Begrüßung ein leises Zischen aus. Ich bleibe erschrocken stehen. Ein Pfeil trifft mich und sendet einen erneuten Stromstoß durch meinen unförmigen Körper, während die Wesen von allen Seiten auf mich zu laufen.
    Der Gurkenmann hat mich fast erreicht, als eine gewaltige Explosion die Welt erschüttert und mein innerstes Wesen zerreißt.
    2.
     
    Irgendetwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht, was.
    Ich weiß nicht einmal, woher ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Da ist nur dieses merkwürdige Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte.
    Die Welt, das ist ein Strand, dahinter treppenartige,
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