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Woodstock '69 - die Legende

Woodstock '69 - die Legende

Titel: Woodstock '69 - die Legende
Autoren: Frank Schaefer
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Havens«, ruft John Morris ihm noch hinterher. Havens’ schmutzoranger Kaftan ist in der oberen Hälfte dunkel vom Schweiß, aber es hat sich gelohnt – für beide Seiten.
    Die Situation hinter der Bühne hat sich in der Zwischenzeit nicht verändert. Sweetwater immer noch unterwegs. Hardin hackedicht. Country Joe McDonald ohne Backing Band und Instrumente. Da kommt John Morris die Idee, Bill Belmont, einen der Koordinatoren hinter der Bühne und in Personalunion McDonalds Manager, auf diesen anzusetzen und zu einem Soloauftritt zu überreden. 67 John Morris weiß aus Gesprächen, dass Country Joe schon länger unzufrieden ist mit seiner Band und ohnehin an einer Solokarriere arbeitet – noch im selben Jahr erscheint dann auch sein erstes Songwriter-Album »Thinking of Woody Guthrie« –, Woodstock könnte also die Feuerprobe werden. McDonald ist nicht abgeneigt. Man besorgt ihm eine Akustikgitarre, Jerry García von Grateful Dead borgt ihm seinen Kapodaster, und schon wieder hat man einen Act mehr – und vor allem Zeit gewonnen. Morris und Belmont mussten in den Wochen zuvor bei Michael Lang einige Überzeugungsarbeit leisten, Country Joe and the Fish ins Programm zu nehmen, weil er das Festival, vielleicht schon im Hinblick auf die Verfilmung, von allzu eindeutiger politischer Agitatorik freihalten wollte. Jetzt wird er froh gewesen sein, dass er sich breitschlagen lassen hat, obwohl Country Joe McDonald zunächst kaum mehr ist als ein Lückenbüßer. »Ich stieß ihn nach draußen auf die Bühne, und das Publikum war 15 oder 20 Minuten gelangweilt«, rekapituliert Bill Belmont den Gig. Zu Recht. Bei »Janis« wirkt er noch nicht ganz wach und die Stimme nicht wirklich melodiesicher, »Rockin’ All Around The World« klingt überhastet, als wollte er es schnell hinter sich bringen, »Flyin’ High All Over The World« kommt souverän, aber bei »Seen A Rocket« ist seine Gitarre leicht verstimmt. »Joe schaut rüber zu mir und sagt: ›Es läuft nicht so gut, oder?‹ « 68 Da rät ihm Belmont, als letzten Song den »I-Feel-Like-I’m-Fixin’-To-Die Rag« zu spielen, den Titelsong des 1967er Albums von Country Joe and the Fish, und dieses Stück macht die vorangegangenen zwanzig Minuten vergessen. In der Studioversion beginnt der Song mit einem Cheerleader-Call-and-Response-Spiel, das den Bandnamen F-i-s-h buchstabiert. Live hatte sich längst eine andere Variante durchgesetzt, und die bewährt sich einmal mehr in Woodstock: »Gimme an F!« – »FFFFFF.« – »Gimme a U!« – »UUUUU.« – »Gimme a C!« – »CCCCCCC.« – »Gimme a K!« – »KKKKKKK.« – »What’s that spell?« – »FUUUUCK.« – »What’s that spell?« – »FUUUUCK.« – »What’s that spell?« – »FUUUUCK.« – »What’s that spell?« – »FUUUUCK.« – »What’s that spell?« – »FUUUUCK.« Es könnte ewig so weitergehen. Auf einmal ist das Auditorium wieder wach und singt die nun folgende hinterhältige Vietnam-Spöttelei aus vollem Hals mit.
    Yeah, come on all of you, big strong men
,
    Uncle Sam needs your help again
.
    He’s got himself in a terrible jam
    Way down yonder in Vietnam
.
    So put down your books and pick up a gun
,
    We’re gonna have a whole lotta fun
.
    Textlich ist das noch eher konventionell. Erst am Ende der ersten Strophe dreht der Song die satirische Schraube etwas an. Aber dass sie alle »eine ganze Menge Spaß haben werden«, ist bereits metrisch vorgezeichnet. Hier macht der aufgekratzte, fröhliche, den Gehalt scheinbar travestierende Rhythmus die Musik. Es ist aber tatsächlich nur ein
scheinbarer
Widerspruch der Form. Man hört dem Rag nämlich noch seine ursprüngliche Herkunft aus dem Marsch an, und das ist hier besonders intrikat, weil ihm dadurch eine onomatopoetische Qualität zuwächst: der Rhythmus, dieser gewissermaßen mit Speed gedopte, durchgeknallte, irrwitzigheitere Marsch, bedeutet also für sich schon, was der Song auf der Inhaltsseite sarkastisch zu suggerieren versucht: dass nämlich der Krieg da unten eine einzige lustige Hanswurstiade sein wird. Oder vielmehr ein fröhlicher Kindergeburtstag. So jedenfalls klingt der oft wiederholte Refrain mit seinem albernen
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