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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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Tierärzte da drin wohl so trieben.
    »Sie wissen, dass wir schon viel zu lange hier sitzen«, sagte ich nach einer Weile.
    Unsere Praxis lief überraschend gut, vor allem wenn man bedachte, dass wir die zweite und wesentlich weniger renommierte Praxis in der Stadt waren. Die Northside Tierklinik auf der Main Street galt noch immer als die erste Adresse. Unsere Praxis hingegen, die in einer Seitenstraße versteckt lag, war die Anlaufstelle für all jene, die sich Dr. Mortimer entweder nicht leisten konnten oder die ihn
nicht mehr aufsuchen wollten. Wie es sich gehörte, hatten wir natürlich auch den einen oder anderen unangenehmen Patienten in unserer Kartei - menschlicher oder tierischer Art.
    »Malachy«, sagte ich. »Wenn Sie mir etwas mitzuteilen haben, dann spucken Sie es aus. Die Leute da draußen werden nämlich bald gehen und vermutlich nie mehr wiederkommen, wenn wir nicht bald weitermachen.«
    Die Falte zwischen den Augenbrauen meines Chefs wurde tiefer. Er sagte noch immer kein Wort, und wieder einmal wusste ich nicht, was ich von Malachy Knox halten sollte. Als er noch mein Lehrer im tiermedizinischen Institut in Manhattan gewesen war, hatte er mir den Eindruck vermittelt, mich nur in seine Gruppe geholt zu haben, weil sich mein Mann Hunter für Lykanthropie interessierte. Er hatte so getan, als würde er mich für die typische übereifrige Einser-Studentin halten, die den ganzen Tag hart arbeitend in der Bibliothek verbrachte. Vermutlich hätte mich diese Einschätzung nicht so sehr verletzen müssen, wie sie das tat. Ich hatte mich schon länger damit abgefunden, nicht so schön oder charismatisch zu sein wie meine Mutter. Doch dann hatte mich Malachy Knox auch noch meiner Hoffnung beraubt, zumindest ein brillanter Geist zu sein. Das hatte gesessen.
    Andererseits hatte ihn persönlich seine Mischung aus Verrücktheit und Brillanz eine lukrative Forschungsstelle und seinen Posten am Institut gekostet. Und letztlich hatte ihn dies hierher nach Northside geführt. Ich wusste allerdings, dass er sich schon lange von dem Ort angezogen fühlte. Etwas in der Luft oder im Wasser schien eine verstärkende Wirkung auf Erkrankungen wie Lykanthropie
zu haben, wobei ich mir nicht sicher war, welchen Effekt Northside auf Malachys Gesundheit hatte.
    Es war zwar kein Thema, über das wir sprachen, aber ich wusste, dass mein Chef mit einer genetisch manipulierten Form des Virus infiziert sein musste. Im Alter von zweiundvierzig Jahren sah er aus, als hätte er einen Großteil seines Lebens als Fremdenlegionär in der Wüste oder gefangen in einem Kerker verbracht. Vielleicht auch beides. Er war kein unattraktiver Mann, aber seine Haut schien sich stetig enger um seine Gesichtsknochen zu legen, und es gab Tage, an denen er nicht nur ungesund, sondern geradezu von einer tödlichen Krankheit gezeichnet wirkte.
    Als ob er meine Gedanken lesen könnte, erklärte er jetzt: »Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir diese Praxis nicht gemeinsam führen können, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind. Ich sage Ihnen, wenn ich etwas ausbrüte, und Sie müssen das auch tun.«
    »Ich verspreche Ihnen«, erwiderte ich in der Hoffnung, damit das Gespräch endlich beenden zu können, »dass ich sofort zu Ihnen komme, wenn mein Problem schlimmer wird. Einverstanden?«
    Malachy musterte mich noch einen Moment lang und richtete seinen Blick dann auf Padisha, unseren übergewichtigen Praxiskater, der gerade mit seinem großen weißen Bauch ins Zimmer stolziert kam. Das Tier blieb stehen, sah mich mit seinen auffallend grünen Augen einen Moment lang intensiv an und begann dann, einen Katzenbuckel zu machen. Entschlossen freundlich erwiderte ich seinen Blick. Nach einer Sekunde entspannte sich der Kater und sprang mit einer überraschenden Geschmeidigkeit auf den Tisch, wo er sich auf den Computer legte und losschnurrte.
    »Also gut«, meinte Malachy. »Vergessen wir die Tomographie.«
    Es erstaunte mich, dass er auf einmal so leicht klein beigab. Dann fiel mir ein, dass es Katzen gibt, die einen Anfall im Voraus erspüren. Offensichtlich hatte ich also den Katzentest bestanden. Padisha döste friedlich vor sich hin, wobei seine Hinterpfoten und sein Bauch seitlich über den Computer hingen.
    »Ausgezeichnet«, sagte ich und stand auf. »Dann kann ich ja wieder an die Arbeit gehen.«
    Der Kater öffnete ein grünes Auge, als würde er auf Malachys Antwort warten. »Ich schaffe das heute allein, Abra. Können Sie Red anrufen und ihn
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