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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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weißen Schaum aus, bevor ein Schrei die Stille des Waldes zerriss und die Zeit wieder zum Laufen brachte.
    Das Kind schrie und schrie, und der Schrei glich keinem anderen Schrei, den Lennart jemals gehört hatte. Er klang weder gebrochen noch jammernd. Es war ein einziger klarer und reiner Ton, der dem misshandelten Körper entstieg. Lennart besaß ein absolutes Gehör, und er brauchte keine Stimmgabel, um zu hören, dass es sich um ein E handelte. Ein glockenreines E, das das Laub zum Zittern brachte und die Vögel in den Bäumen aufscheuchte.
    2
    Das Mädchen lag eingewickelt in Lennarts leuchtend roter Helly-Hansen-Jacke auf dem Beifahrersitz. Lennart hielt sich mit beiden Händen am Lenkrad fest und starrte sie an. Er war vollkommen ruhig, und sein Körper fühlte sich an wie durchgepustet. Aufgeklart.
    Irgendwann gegen Ende der Siebzigerjahre hatte er Kokain ausprobiert. Eine angesagte Rockband hatte etwas angeboten, und er hatte es genommen. Nur eine Linie, und danach nie wieder, weil es so wunderbar gewesen war. Viel zu wunderbar.
    Irgendetwas tut einem immer weh. Irgendwo drückt immer etwas, und wenn es nichts Körperliches ist, dann drückt es in der Seele. Es juckt. Immer. Durch das Kokain war das wie weggefegt. Der Körper wurde zu einer samtenen Schale, und in dieser Schale ruhten ausschließlich kristallklare Gedanken. Alle Nebel waren verflogen, und das Leben war wunderbar. Anschließend wusste Lennart sofort, dass das Streben nach diesem Gefühl sein ganzes Leben in Anspruch nehmen würde. Also verzichtete er darauf.
    Jetzt hielt er das Lenkrad in den Händen und hatte ein vergleichbares Gefühl, nur ganz ohne chemische Unterstützung. In seinem Inneren war alles still, der Wald glühte in den Farben des Herbstes, und ein großes Wesen hielt den Atem an undwartete auf seine Entscheidung. Lennart streckte die Hand nach dem Zündschlüssel aus – seine Hand! Dass er eine Hand mit fünf Fingern besaß, die er bewegen konnte, wie er wollte! Welch ein Wunder! –, ließ den Motor an und rollte denselben Weg zurück, den er gekommen war.
    Auf der Landstraße wurde er immer wieder überholt, während er am Wegesrand entlangschlich. Das Kind hatte keinen Sitz oder Korb, und Lennart fuhr, als würde er eine Schale transportieren, die bis zum Rand mit einer wertvollen Flüssigkeit gefüllt war. Das Kind kam ihm so zerbrechlich und vergänglich vor, als könnte es von der leisesten Erschütterung aus seiner Existenz gerissen werden.
    Sein Rücken war schweißgebadet, als er zehn Minuten später auf den Hof fuhr, den Motor abstellte und sich in alle Richtungen umschaute. Kein Mensch war zu sehen, sodass Lennart das Kind auf den Arm nahm und auf das Haus zueilte. Er erreichte die Haustreppe und stellte fest, dass die Tür wie gewöhnlich abgeschlossen war. Er klopfte zwei Mal, Pause, und dann wieder zwei Mal.
    Eine kalte Brise strich über seinen nassen Rücken, und er drückte das Kind fester an sich. Nach zehn Sekunden hörte er Lailas vorsichtige Schritte durch den Flur näher kommen, sah, wie es hinter dem Türspion dunkel wurde, als sie kontrollierte, wer gekommen war. Dann wurde die Tür geöffnet. Laila stand wie ein massiver Bremsklotz in der Türöffnung.
    »Bist du schon zurück, was hast du denn da …«
    Lennart drängte sich an ihr vorbei in den Flur und ging weiter in die Küche. Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss und Laila rief: »Geh nicht mit den Schuhen rein, bist du verrückt, du kannst doch nicht mit den dreckigen Schuhen reingehen, Lennart!«
    Lennart stand ratlos mitten in der Küche. Er hatte einfach nur die Sicherheit des Hauses gesucht. Jetzt wusste er nicht mehr weiter. Er wollte das Kind erst auf den Küchentisch legen, überlegte es sich jedoch anders und drückte es wieder fest ansich, während er sich auf der Suche nach einer Richtung einmal um sich selbst drehte.
    Laila kam in die Küche. Ihr Gesicht war rot angelaufen.
    »Du darfst dir ruhig die Schuhe ausziehen, wenn du reinkommst, ich habe gerade gewischt und du …«
    »Halt die Klappe!«
    Lailas Mund klappte zu, und sie wich einen halben Schritt zurück. Lennart lockerte den Griff um das Kind, wickelte die Jacke auseinander, sodass der Scheitel des Kindes und eine Strähne seines blonden Haares zum Vorschein kamen. Lailas Mund öffnete sich wieder. Sie gaffte.
    Lennart hielt das Bündel kurz hoch.
    »Ich habe ein Kind gefunden. Ein Baby. Im Wald.«
    Es klickte leise, als sich Lailas Zunge an den Gaumen presste und sich
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