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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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darauf hinweisen soll, dass sie wohl beide keine Teenager mehr sind und es daher eher unwahrscheinlich sei.
    Doch er ist davon überzeugt, dass sie ihn anlügt. Er sitzt mit hängendem Kopf vor seinem Bier und denkt laut darüber nach, ob es eine gute Idee ist, mit ihr im Wohnwagen nach Weston-super-Mare zu fahren.
    Meine Mutter hat mit mir im Sommer nach dem Tod meines Vaters in Weston-super-Mare Urlaub gemacht. Wir wohnten in einem Gasthof, drei Straßen hinter der Strandpromenade; dicht genug, um die Möwen zu hören, nicht nah genug, um das Meer zu hören. Ich war fast dreizehn und kam mit meinen Gedanken nicht klar. Ich las Eliot und Kafka und sah mir Dokumentarfilme auf BBC2 an. Ich blieb bis spät in die Nacht wach und stand früh auf, um das Schulfernsehen zu gucken. Damals trugen die Dozenten noch Bärte und Schlaghosen. Meine Mutter wollte hingegen, dass ich Sandburgen baute, im Meer badete und lachte. Ich glaube, ich habe dort die ganze Zeit über kein einziges Mal auch nur gelächelt. Ich saß im Schatten und las, bis sie mir die Bücher wegnahm. Danach saß ich im Schatten und versuchte, die Mädchen am Strand zu ignorieren.
    »Weston-super-Mare ist wahrscheinlich keine so gute Idee«, sage ich zu Vaughn.
    Schließlich habe ich Mitleid mit ihm und erzähle ihm von kortikaler limbischer Resonanz und nonverbalen Verhaltensmustern.
    »Was zum Teufel ist limbische Resonanz?«, fragt er, fügt aber, bevor ich antworten kann, hinzu: »Nein, sag nichts. Das hast du aus dem verdammten Kurs, den du besucht hast, oder?«
    Armer Vaughn, er hält sich für intellektuell, weil er den Guardian liest und am Wochenende Java Blend Mokka trinkt.
    »Mit dieser Technik kann man herausfinden, ob jemand lügt«, erkläre ich. »Man beobachtet die Körpersprache, unwillkürliche Reaktionen, solche Sachen. Du findest das vielleicht lächerlich, aber der Kurs war wirklich faszinierend.«
    Er starrt ausdruckslos vor sich hin.
    »Na gut«, sage ich, »lass uns ein kleines Experiment machen. Ich stelle dir drei Fragen und möchte, dass du eine ganz bewusst mit einer Lüge beantwortest. Ich versuche herauszufinden, bei welcher du mich belogen hast. Habe ich recht, gibst du mir noch ein Pint aus. Irre ich mich, werde ich dir den ganzen nächsten Monat die Drinks bezahlen. Willst du’s probieren?«
    »Oh, na klar, also gut«, sagt er. Ich habe den Eindruck, dass sich seine Laune etwas gebessert hat. Er lächelt, aber was Vaughn betrifft, traue ich meinem Instinkt nicht immer. Er könnte sogar selbstmordgefährdet sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich irre. An jenem Abend hatte Eleanor mich doch angelächelt, oder nicht? Und dann ist alles ganz anders gekommen.
    »Na schön«, sage ich, »lass mal überlegen. Stell dir dein Zimmer vor. Dein Zimmer, als du ein Teenager warst. Beschreib es mir, als würdest du in der Tür stehen und hineinsehen. Was siehst du?«
    »Du meine Güte. Das war der Schlafsaal, den ich mir mit Roger Hotchkiss in St. Stephens geteilt hab. Zwei Betten, auf jeder Seite eines – mein Bett ist ordentlich gemacht, das von Hotchkiss natürlich nicht –, an jedem Fußende steht ein Schrank in der Nähe der Tür … Direkt vor mir liegt das Fenster mit Blick hinaus auf das Küchengebäude. Unter dem Fenster steht ein breiter Schreibtisch. Über dem Bett hängen Bücherregale. Poster waren nicht erlaubt.«
    Er schwieg einen Augenblick, tippte nachdenklich mit dem Finger an sein Kinn, sah nach oben und dann nach links. Das wird kinderleicht.
    »War’s das?«
    »Sonst fällt mir nichts ein.«
    »Okay, dann die nächste Frage. Was hast du für einen Handyklingelton?«
    »Es ist einfach der Standardklingelton. Ich hab keine Lust auf diesen neumodischen Schnickschnack.«
    Die Antwort kommt schon etwas schneller, aber ich erkenne trotzdem, dass er die Wahrheit sagt. Zugegeben, ich wusste schon vorher, dass er die Wahrheit sagt, denn ich habe sein Handy zuvor schon im Pub klingeln gehört. Versuche ich etwa, unbewusst zu schummeln? Jedenfalls wird die nächste Frage die entscheidende sein.
    »Gut, letzte Frage. Erzähl mir von deinem Heimweg gestern Abend. Bist du sofort von der Arbeit nach Hause gefahren? Und um wie viel Uhr warst du daheim?«
    Er zögert kurz, sieht schnell nach oben, dann nach rechts, aber das genügt mir. Als er zu reden anfängt, klingt seine Stimme zu hoch – das ist zu leicht, viel zu leicht.
    »Ich bin nicht gleich nach Hause gefahren. Ich habe vorher noch im Co-op Wurst und Kartoffeln
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