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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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überhaupt nicht.«
    Klara stand am Fenster. Der Laminatboden verströmte Kälte, und es zog durch den Rahmen, von dem der himmelblaue Anstrich abblätterte. Sie schaute auf die Dächer von Linden. Ein ähnlicher Blick wie aus Robins alter Wohnung in der Bennostraße, gleich um die Ecke. Für einen Moment war ihr, als hätte es die letzten Monate nicht gegeben, und wenn sie sich umdrehte, würde Robin in der Tür stehen, sie ansehen und etwas Kryptisches sagen, und dann würden sie sich in eines der Straßencafés setzen und Milchkaffee trinken. Ihr altes Stadtleben. Jetzt, im nachhinein, glaubte sie zu wissen, daß sie damals glücklich gewesen waren. Aber es gab kein Zurück, also sparte sie sich besser derlei sentimentale Gedanken. Nur Menschen ohne Zukunft hatten es nötig, in Erinnerungen zu schwelgen.
    Mario reichte ihr eine Selbstgedrehte, als sie sich wieder zu ihm auf das Bett setzte und ihre eiskalten Füße unter die Decke schob. Eine Weile rauchten sie stumm und konzentriert vor sich hin, zelebrierten ihr post coitum triste , als gäbe es sonst nichts auf der Welt.
    Mario drückte seine Zigarette aus und gab Klara ein paar laute, schmatzende Küsse auf den Hals. Sie konnte seine naßkalte Spucke spüren. Sie war unruhig. Daß sie hier war, hatte sich so ergeben. Seltsamerweise mußte sie dabei nicht an Robin denken, sondern an ihre Mutter. Wenn die sie hier sehen könnte, würde sie ihre Lippen zusammenpressen wie die Bügel ihres Portemonnaies.
    Mario schlang seine Beine um ihre und streichelte ihr Haar. Das würde sie vermissen: die Art, wie er ihr Haar streichelte, es mit den Fingern nach oben kämmte und Strähne für Strähne fallen ließ. Und das gemeinsame Rauchen, denn abgesehen von diesen Gelegenheiten rauchte Klara nie.
    Zeit zu gehen. Im Aufstehen küßte sie ihn heftig auf den Mund.
    Sie duschte kalt. Er hatte vergessen, den Boiler für sie anzustellen. In der Küche gammelten die Reste dessen vor sich hin, was Mario Frühstück nannte. Klara trank Wasser aus der Leitung. Sie war zwar hungrig, aber die verschrumpelten Croissants reizten sie nicht.
    »Warum gehst du nicht von ihm fort? Ziehst zu mir?« hörte sie Mario sagen, und etwas in ihr krampfte sich zusammen. Sie hörte im Geist Robins Stimme: Was hältst du davon, aufs Land zu ziehen? Hannes renoviert die Scheune für sich, und wir beide wohnen im alten Gutshaus …
    »Mein Geld steckt da drin«, sagte Klara und ging ins Schlafzimmer. Es war warm geworden, in der Mansarde roch es wie auf einem Dachboden im Sommer. Ihre Kleidung hing ordentlich über einem Stuhl.
    »Du lebst also mit ihm zusammen, weil du Geld verlieren würdest, wenn du ihn verläßt?« Er war ihr nachgegangen und stand in der Tür.
    »Wir leben nicht richtig zusammen.«
    Weißt du, das alte Haus ist vom Schnitt her eigentlich für zwei Wohnungen prädestiniert. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir wenigstens für den Anfang …
    »Dann kann ich ja mal vorbeikommen«, sagte Mario aufmüpfig.
    Sie sah ihn an, seine geraden Wimpern über den dunklen Augen, die kräftige Nase. Seine Oberlippe blutete von ihrem Kuß, er tupfte sie mit Klopapier ab.
    »Nein, das kannst du nicht.« Manchmal kam sich Klara vor wie seine Mutter. Das mochte auch an den zwölf Jahren liegen, die Mario jünger war. Bis heute hatte Mario nie irgendwelche Forderungen gestellt. Ein pflegeleichter Liebhaber, der sich nicht in ihr Privatleben einmischte. In letzter Zeit hatten sie sich jedoch wenig gesehen, und wenn Klara jetzt an das Feuer der ersten Wochen zurückdachte, war ihr das Ganze zunehmend unverständlich. Sie war nicht mehr die Klara, die unter Robins Kälte litt und sich mit Trotzaffären tröstete. Inzwischen gab es Wichtigeres in ihrem Leben.
    »Du liebst ihn doch sowieso nicht mehr, oder?« Marios Stimme sollte sachlich klingen, aber sie zitterte leicht. Ahnte er, was sie ihm sagen wollte, wozu sie ursprünglich gekommen war? Klara schlüpfte in ihre Bluse. Sie war weder willens noch in der Lage, seine Frage zu beantworten.
    »Geht es nun zurück auf deinen Landsitz?«
    »Nein, ich habe noch etwas im Institut zu erledigen.« Eine kleine Lüge. Dort war sie vorhin schon gewesen. Seit Jahresbeginn arbeitete sie nur noch als freie Mitarbeiterin am Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung der Tiermedizinischen Hochschule Hannover. Hauptsächlich beschäftigte sie sich mit ihrer Doktorarbeit. Mario hatte davon keine Ahnung, er wußte eigentlich kaum etwas von
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