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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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Teller mit schlechtem Essen, stand auf und schleuste sich zwischen einer Gruppe von Stühlen und einem ovalen Tisch hindurch, vorbei an der Anrichte. Dann stieß er sich, nicht zum erstenmal, seinen rechten Hüftknochen an der Marmorplatte der Kommode. Auf ihr hatte die Stereoanlage Platz gefunden. Robin legte eine CD ein. Er öffnete die Balkontür. Sie wurde von zwei Bodenvasen flankiert und führte auf einen kleinen Romeo-und-Julia-Austritt mit verschnörkeltem Holzgeländer. Für ein Bauernhaus war die Architektur reichlich verschroben, aber Robin gefiel gerade das. Sein Haus. Ein richtiges Haus, kein affiges Loft, wie es Hannes aus der Scheune gemacht hatte. Spanische Keramik, Edelstahlgeländer, Bambusparkett. Lieber Himmel! Bloß gut, daß Robin auf diese ganze Lifestylescheiße gut verzichten konnte. Nein, es war kein Verzicht. Ein Marmorbad würde ihn als Künstler viel zu sehr korrumpieren. Ihm war klar: Wirklich gute Schriftsteller erzielten selten hohe Verkaufszahlen. Er mußte der Möglichkeit ins Auge sehen, mit seinem Schaffen niemals wohlhabend zu werden. Da war es gut, wenigstens ein Haus zu besitzen. Und ein bißchen Land. Er betrat den Balkon, gerade als die ersten Klänge des Triumphmarsches aus Aida ertönten. Obwohl es nicht ganz den Tatsachen entsprach, fühlte sich Robin als Gutsherr. Weit hinten zog Arnes Trecker seine Bahnen. Die umliegenden Felder gehörten zum Gut, waren jedoch verpachtet. Bauer Gamaschke, Arnes Vater, baute auf ihnen Zuckerrüben an und Getreide, mit dem er seine zweihundert Schweine fütterte. Das Getreide spitzelte bereits grasähnlich aus der Erde, von den Rüben war noch nichts zu sehen. Die Luft war schwer wie das Parfum einer Kokotte, mit einer süßlichen Kopfnote, einem Herzton aus feuchter Erde und einem Hauch Schweinemist im Abgang.
    Robin genoß die Aussicht, wobei er das unsichtbare Orchester dirigierte, das zu seinen Füßen im Garten saß. In Robins Garten gab es lediglich Beerensträucher und ein paar alte Strauchrosen. Was sonst noch wuchs, wurde zweimal im Jahr mit der Sense gekürzt. Er hatte Klara gebeten, keine weiteren Pflanzungen vorzunehmen, und bis auf ein Kräuterbeet neben der Eingangstreppe schien sie sich an die Weisung zu halten. Kräuter waren zu ertragen, sie waren dezent, nützlich, und manche rochen sogar gut.
    Dann verfing sich sein Blick in Hannes‘ Garten, und er hörte auf mit seinem imaginären Taktstock zu fuchteln.
    Barbara mußte im Herbst unzählige Zwiebeln im Erdreich versenkt haben, und nun hatten sie die Bescherung: In brüllenden Farben explodierten Hunderte von Tulpen, Hyazinthen stanken zum Himmel, Narzissen neigten ihre Köpfe in krankem Gelb über den phosphorgrünen Rasen. Das war nun also der kreative Rahmen, in dem sich sein Innerstes nach außen kehren und in Worte kleiden sollte. Angewidert verzog er den Mund. Konnte man denn nicht ein klein wenig Rücksicht auf sein ästhetisches Empfinden nehmen? So was hätte man doch besprechen können, mit ihm, dem Erben des ganzen Anwesens.
    Als die Pläne, den Gutshof zu renovieren, Gestalt angenommen hatten, war Robin davon ausgegangen, daß Hannes das Landleben bald satt haben würde. Wahrscheinlich brauchte er nur einen Abstellplatz für seine alten Autos und ein vorzeigbares Domizil, in das er Frauen und Fernsehfuzzis locken konnte. Hier, in der niedersächsischen Weltabgeschiedenheit, so hatte Robin spekuliert, würde es ihm auf Dauer sicherlich zu fade werden. Daß Hannes Barbara inzwischen fest auf dem Gut installiert hatte, deutete Robin als Anzeichen einer Midlifecrisis. Nicht, daß an Barbara etwas auszusetzen gewesen wäre. Wie ihre Vorgängerinnen war auch sie jung, blond und niedlich. Niemals betrat Barbara unaufgefordert seine Wohnung, aber dennoch lenkte es ihn von seiner Arbeit ab, wenn sie draußen herumpusselte oder gar mit Klara auf der Terrasse saß und Café latte trank. Was hatten die beiden zu reden und zu lachen? Etwa über ihn?
    Robins Blick wanderte über das Pflaster des Hofes, dessen Basaltgrau er als erholsam empfand. Er mochte auch die zwei grimmigen Gargoyles aus Stein, die den Eingang zur ehemaligen Scheune flankierten. Aber irgend etwas war anders als gestern. Da! Diese zwei protzigen Terrakottakübel. Bestückt mit lilafarbenen Stiefmütterchen standen sie zwischen dem Eingang und dem Stall, der nun als Garage diente. Also zwar eindeutig im Herrschaftsbereich von Hannes und Barbara, aber genau in seinem Blickfeld. Das war überhaupt die Crux
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