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Wo niemand dich findet

Wo niemand dich findet

Titel: Wo niemand dich findet
Autoren: L Griffin
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bemerkte Alex das rote Blinken auf dem Küchentisch. Auf dem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Nach einem langen Piepton erklang eine Frauenstimme, aber nicht die von Melanie.
    Hi, ich bin’s. Ruf doch mal zurück. Ein weiterer Piepton folgte, anschließend waren Wählgeräusche zu hören.
    Alex ging zur Hintertür und spähte ins Freie. Die Büsche und Bäume bildeten einen dunklen, lilafarbenen Hintergrund, durch den hie und da ein wenig helle Seefläche blitzte. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine flüchtige Bewegung auf dem Wasser wahr und trat auf die Veranda. Nichts. Vielleicht eine Luftspiegelung in der Dämmerung, die sie getäuscht hatte.
    Sie zog die Tür hinter sich zu und nestelte ihr Telefon aus der Tasche. Beim Hinuntergehen wählte sie erneut Melanies Nummer. Zum fünften Mal am heutigen Tag hörte sie die Ansage der Computerstimme.

    »Ich bin’s«, sagte Alex. »Wir müssen unbedingt miteinander reden. Es ist wirklich dringend, ich …«
    Alex hielt inne und starrte auf den Schuhabdruck auf der Treppenstufe. Das war kein Schmutz. War das … Blut? Sie ging in die Hocke und beleuchtete den Abdruck mit dem Display ihres Telefons.
    Blut. Getrocknetes Blut. Schon etwas älter, aber definitiv Blut. Ihr Blick wanderte die Stufen hinauf und zurück zur Tür. Noch mehr Tröpfchen und eine kleine Schliere.
    Sie schnellte empor, wobei ihr leicht schwindlig wurde, und verfolgte die Spur mit den Augen von der Tür in Richtung See. Mit bleischweren Beinen trottete sie den kleinen Lehmpfad entlang durch das Gras und kämpfte sich durch das Unterholz, bis sie am schlammigen Seeufer stand. Dort blickte sie auf die Seefläche hinaus und zu den Lichtern der Häuser, die am anderen Ufer blinkten. Ein Anflug von Schuld, bitter wie das Versagen, schnürte ihr den Hals zu.
    Alex zuckte erschreckt zusammen, als ihr Telefon klingelte. Doch der Anruf brach gleich wieder ab.
    Sie sollte die Polizei rufen. Oder einen Krankenwagen. Aber sie brachte es nicht fertig. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen.
    Das Foto schoss ihr durch den Kopf – eine junge Frau mit Locken und Wangengrübchen. Melanie. Alex hielt ihr Handy umklammert und fluchte.
    Auf einmal hörte sie ein knackendes Geräusch. War da gerade ein Zweig gebrochen? Sie wirbelte herum. Hinter den Fenstern der Hütte loderte es grellorange auf.
    Feuer .
    Da riss sie eine ohrenbetäubende Explosion zu Boden.

2
    Neugierige Blicke folgten Nathan Devereaux, als er das Smokin’ Pig betrat. Ohne sie zu beachten, ging er an den Tresen und zog die Brieftasche heraus.
    Janelle stieß einen Pfiff aus. »Oh, lala. Hast du eine Dampfwalze geknutscht?«
    »Ist ’ne lange Geschichte.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch.
    »Glaub’s mir, dir kämen die Tränen.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Ist meine Bestellung fertig?«
    Sie verzog den Mund und musterte ihn. Dann goss sie ihm einen Dewar’s Whisky ein, schob ihm das Glas zu und schlenderte in die Küche.
    Nathan wandte sich dem Baseball-Spiel zu, das auf einem Fernsehschirm hinter der Bar lief. Hoffentlich tat der Whisky bald seine Wirkung. Doch als Janelle zurückkam, fühlte er sich genauso mies wie zuvor.
    Sie stellte eine wunderbar duftende Tüte mit gegrillten Spareribs neben ihn auf den Tresen. »Hamamelis«, sagte sie. »Ein paar Tropfen davon auf einen warmen Waschlappen geben und direkt auf das Auge legen. Wenn das nicht hilft, kannst du’s auch mal mit Alfalfa-Kapseln versuchen.«
    »Alfalfa-Kapseln.«
    »Oder mit Arnikasalbe.«

    Er hatte keinen Schimmer, wovon sie sprach, doch er nickte zustimmend. »Danke«, sagte er und reichte ihr einen Zwanzig-Dollar-Schein. »Stimmt so.«
    Einige Minuten später saß er wieder im Auto und fuhr nach Hause. Endlich ging dieser Scheißtag zu Ende. Begonnen hatte das Elend um 7 Uhr 40, als er den Rechtsmedizinern zusehen musste, wie sie eine aufgeschwemmte Wasserleiche aus dem Lake Austin zogen. Den krönenden Abschluss hatte der Tag vor gut fünfunddreißig Minuten gefunden, als er zwei Sechzehnjährige wegen Mordes festgenommen hatte.
    Nathan fuhr den Wagen in die Garage – langsamer als sonst, weil seine Sicht etwas eingeschränkt war – und betrat das Haus durch die Hintertür. Er stellte das Abendessen in der Küche auf die Anrichte, merkte aber, dass er noch immer zu genervt war, um zu essen. Der Whisky hatte nichts genützt, und er wusste, dass die einzige echte Ablenkung draußen auf ihn wartete. Er stellte die Spareribs in den Kühlschrank und ging
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