Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo niemand dich findet

Wo niemand dich findet

Titel: Wo niemand dich findet
Autoren: L Griffin
Vom Netzwerk:
Scheinwerfer. Regen rann ihr über das Gesicht. Sie zwinkerte in die Dunkelheit und versuchte sich zu orientieren.
    Sie hörte ein tiefes Grummeln, ähnlich einem Donnergrollen in der Ferne. Doch das war es nicht. Irgendwo hinter ihr brummte ein Dieselmotor. Starr vor Schreck hörte sie, wie das Brummen erstarb und eine Tür zugeschlagen wurde. Er war hier. Der Albtraum, den sie sich schon oft bis ins schrecklichste Detail ausgemalt hatte, wurde Wirklichkeit.
    Wild gegen die Ranken und Äste schlagend und mit rasendem Herz rannte sie durch das Gestrüpp. Kein Auto. Kein Telefon. Ohne Notfallausrüstung. Wie ein Tier auf der Flucht.
    Sie hörte einen sirrenden Ton, der immer näher kam. Reifen auf Asphalt. Sie stolperte weiter, in Richtung des Geräusches. Genau in dem Augenblick, in dem sie aus dem Gestrüpp stürzte, sauste ein Auto vorbei.
    »Hilfe!«, schrie sie und winkte den kleiner werdenden Rücklichtern hinterher.
    Wie ein Keulenschlag traf sie die Erkenntnis, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie sprang zurück ins Gebüsch, doch es war zu spät. Nun war er direkt hinter ihr.
Und ganz nah – so nah sogar, dass sie sein Schnaufen und Grunzen hören konnte.
    Lauft! , befahl sie ihren willenlosen Beinen. Sie unterdrückte ein Schluchzen, als er näher und näher kam. Und dann Klatsch!, lag sie auf dem Boden. Etwas hielt ihre Beine umklammert. Sie bekam keine Luft, konnte nicht atmen. Sie kratzte und schlug um sich und trat mit den Beinen. Als ihr Absatz auf etwas Weiches traf, hörte sie ein Stöhnen. Sie riss sich los und krabbelte in Richtung Straße. Noch ein Auto – sie hörte es kommen und sah die Sicherheit verheißenden Lichter. Nur noch ein paar Meter … Sie hatte es fast geschafft, spürte fast schon den Asphalt. Kies stach ihr in die Hände.
    »Hilfe! Anhalten!«
    Eine Hand packte sie am Knöchel und zerrte sie wieder zu sich.
     
    Zwei Tage später
    Alex Lovell trank den letzten Schluck lauwarmen Kaffee, griff nach der Kamera und sah auf die Uhr. Wieder zu spät!
    Zum Glück schlief die heutige Zielperson auch gern etwas länger. Weniger geschickt war dagegen, dass er in der Wohnung seiner Freundin in Universitätsnähe lebte. Dadurch wurde die Parkplatzsuche zu einer echten Herausforderung. Für alle Fälle nahm Alex auch noch das grellorange Verkehrshütchen mit, das in einer Ecke ihres Büros stand und ihr schon mehrfach bei kleineren Verkehrssünden gute Dienste geleistet hatte.
    Draußen hatte ein Wolkenbruch den Morgenverkehr beinahe zum Erliegen gebracht. Während Alex hastig die
Bürotür verschloss, warf sie einen Blick über die Schulter. Die Autos krochen im Schneckentempo über die Lavaca Street. Wie kam sie jetzt bloß am schnellsten zur University of Texas?
    Ehe sie sich die Frage beantworten konnte, senkte sich ein Schatten über sie.
    »Tschuldigung, bitte.«
    Sie betrachtete kurz das Spiegelbild des Mannes, den sie in der Glastür sah, ehe sie antwortete. Er trug Stiefel, Jeans und eine Art Westernjacke. Seine ohnehin stattlichen ein Meter fünfundachtzig hatte er mit einem Cowboyhut noch mal deutlich verlängert. Meinte der Kerl das etwa ernst?
    »Ich glaube, ich habe mich verlaufen«, sagte er mit schnarrender Stimme.
    Sie drehte sich um. »Die Viehzüchtervereinigung ist zwei Blocks weiter drüben.«
    Er lächelte dünn, und die Falten um seinen Mund vertieften sich. »Ich suche Lovell Solutions.«
    Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Buchstaben, die in die Glastür sandgestrahlt waren. »Offenbar hat Ihre Suche ein Ende.«
    »Sind Sie Alexandra Lovell?«
    »Ja.« Doch wenn sie ihr Gefühl nicht trog, hatte er das bereits gewusst.
    »Ich würde gerne was mit Ihnen besprechen. Es dauert auch nicht lang«, fügte er hinzu, als sie auf die Uhr blickte.
    »Wie heißen Sie?«
    »Bill Scoffield.«
    »Und Ihr Beruf?«

    »Ich bin Anwalt.«
    Sie beäugte ihn skeptisch.
    Unter seinem Hemdkragen lugten Büschel weißen Brusthaars hervor, und über der Gürtelschnalle wölbte sich ein kleines Bäuchlein. Sie schätzte ihn auf fünfundfünfzig. Ihr Blick fiel auf seine Stiefel aus glänzendem schwarzem Straußenleder. Sie lebte schon lange genug in Texas, um zu wissen, wie wirklich teure Stiefel aussahen.
    Alex dachte kurz daran, was sie in diesem Monat verdient hatte. »Also gut, fünf Minuten«, meinte sie mit erneutem Blick auf die Uhr.
    Sie stellte das Verkehrshütchen vor die Tür auf den Gehweg und sperrte wieder auf. »Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, übernehme ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher