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Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)

Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)

Titel: Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
Autoren: Pia Engström
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Notar hat schließlich darauf bestanden, dass wir beide zur Testamentseröffnung kommen.”
    Finja nickte, und ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen, als sie an das Gespräch mit Lennart Bolander dachte, das sie vor zwei Wochen geführt hatte. Damals war sie allein nach Dvägersdal gekommen, zur Beerdigung. An jenem Tag, an dem die Särge ihrer Eltern, ihrer Schwester Greta und ihres Schwagers Paul zu Grabe getragen worden waren, hatte die Sonne hell am strahlend blauen Himmel gestanden. Die Luft war lau und vom Duft wilder Frühlingsblumen erfüllt gewesen, und über allem hing ein seltsamer Schleier. Nicht nur der Trauer, nein – es gab da noch etwas anderes, das Finja belastete und sie auch heute wieder angstvoll auf ihre Ankunft blicken ließ. Und dieses Etwas hatte einen Namen.
    Audrey.
    Unwillkürlich schauderte Finja. Da war sie wieder, die Gänsehaut, die ihr jedes Mal über den Rücken kroch, wenn sie an das ehemalige Au-pair-Mädchen ihrer Familie dachte. Doch wie schon vor drei Wochen bemühte sie sich auch jetzt, die Gedanken daran gar nicht erst richtig aufkommen zu lassen. Sie durfte einfach nicht zu sehr an die Vergangenheit denken – alles, was im Augenblick zählte, war das Hier und Jetzt.
    Wieder meldete sich Sanders Mobiltelefon – und dieses Mal war Finja beinahe froh über die Unterbrechung. Es war der Signalton für eine eingehende E-Mail.
    “Ich muss kurz anhalten”, sagte Sander erwartungsgemäß und lenkte den Wagen an den Straßenrand, wo er den Motor abstellte. “Tut mir leid, aber …”
    “Es ist wichtig”, führte Finja den Satz für ihn zu Ende. Sie merkte selbst, wie bitter ihre Stimme klang. “Natürlich.”
    Sander ging gar nicht darauf ein. Er nahm sein Smartphone aus der Freisprecheinrichtung und klappte die kleine Tastatur auf. Finja konnte sich nicht erinnern, ihn in den letzten Jahren jemals ohne dem Teil gesehen zu haben. Manchmal hatte sie fast den Eindruck, dass er ohne dieses Gerät, mit dem er seine E-Mails und Termine verwaltete, gar nicht mehr leben konnte.
    Und sie zweifelte daran, dass dasselbe auf sie, seine Ehefrau, ebenfalls zutraf.
    Ein paar Minuten beobachtete sie ihn dabei, wie er mit zusammengekniffenen Augenbrauen auf das Display des Telefons starrte, doch das wurde ihr rasch langweilig. Mit dem Ärmel ihres warmen Strickpullovers befreite Finja das inzwischen beschlagene Beifahrerfenster von der Feuchtigkeit. Sie atmete scharf ein, als sie den fast vollständig schwarzen Felsen erblickte, der wie ein mahnend erhobener Finger in den bleigrauen Himmel hinaufragte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wo Sander angehalten hatte.
    Ausgerechnet!
    Finja hatte das Gefühl, innerlich zu Eis zu erstarren. Sie konnte sich nicht bewegen, kaum atmen und erst recht nicht mehr klar denken.
    Trollfjällen
– der Trollfelsen.
    Dieser Ort verfolgte sie noch heute bis in ihre Träume, und schlagartig wurde ihr klar, dass es ihr nicht länger gelingen würde, die Vergangenheit aus ihren Gedanken zu verbannen.
    Es war, als würde plötzlich ein alter Film vor ihren Augen ablaufen. Finja sah sich selbst als elfjähriges Mädchen, zusammen mit ihren Freundinnen Linnea und Hanna. Sie lachten und alberten herum – vor allem, um die unheimliche Atmosphäre, die an jenem Mittsommertag vor fünfzehn Jahren im Wald von Dvägersdal herrschte, zu überspielen. Dabei waren sie doch hier, um echte Magie zu erleben. In einem alten Buch, das Hanna in der Bibliothek entdeckt hatte, stand nämlich, dass die mystischen Kräfte in der Mittsommernacht am stärksten waren. Deshalb wollten die drei Freundinnen jetzt im Wald nach Spuren von Elfen und Kobolden suchen.
    Und dann tauchte, wie aus dem Nichts, Audrey auf. Das siebzehnjährige englische Au-pair-Mädchen musste sie vom Haus aus beobachtet und dann verfolgt haben. Finja war darüber so wütend, dass sie kaum etwas von der Geschichte mitbekam, die Audrey ihnen erzählte. Es war irgendeine gruselige Sage über den Trollfelsen. Angeblich lebte ein Wesen darin, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, kleine Mädchen zu sich in den Berg zu holen und sie nie wieder freizulassen.
    Alberne Ammenmärchen! Warum konnte Audrey sie nicht einfach in Ruhe lassen? Ständig mischte sie sich in alles ein, musste überall dabei sein! Manchmal wünschte Finja sich wirklich, sie würde sich einfach in Luft auflösen und nie wieder auftauchen.
    Und dann
war
Audrey plötzlich verschwunden. Linnea, Hanna und sie suchten alles ab, doch sie fanden keine Spur von
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