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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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Ein Isländer bleibt, kaum ist er vor die Tür des Gebäudes getreten, stehen. Er atmet tief ein und lächelt beseelt. Ich schaue ihn an. Er sagt: »Die Luft! Ich vermisse sie jedes Mal, wenn ich weg bin.« Die isländische Luft, sagt er, sei »eine der besten auf der Welt«. Und es stimmt, die Luft in Island ist wirklich sehr frisch. Abgesehen davon sind die Isländer auf vieles stolz, was es in ihrem Land gibt. Aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich steige in den Bus, der mich nach Reykjavík bringt.
    Eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt. Der Weg führt vorbei an einer Landschaft aus Lava, die sich am Wegesrand auftürmt. Eine eigenwillige Mondlandschaft. Eigentlich seltsam, dass sich hier überhaupt irgendwann Menschen niedergelassen haben. Zugleich berührt mich diese reduzierte Natur. Das Meer ist so schön dunkelblau, der Blick kann so weit schweifen und staunen über die Innereien der Erde, bedeckt mit einer feinen Schicht aus Moos. Außerdem ist es, als könnte man bereits fühlen, dass die Erdkruste hier dünner ist und das Leben ungebremster. Lavageröll als Abbild der isländischen Seele. Eine Poesie der Urgewalten. Ein Stück Land, das einfach noch so ist, wie es nun einmal ist. Wie die Welt, als sie erschaffen wurde.
    »Dort, wo der weiße Dampf aufsteigt«, sagt jemand und zeigt in die Ferne, »liegt die Blaue Lagune.« Es ist das merkwürdigste
Freibad der Welt. Ein milchig-blauer See mitten in der Lava, der, wie so vieles in Island, aus Zufall entstanden ist. Zunächst war er bloß das Abfallprodukt des geothermischen Kraftwerks, das in der Nähe liegt und in dem man aus 2000 Metern Tiefe 240 Grad Celsius heißes Wasser nach oben pumpt, um mit seinem Dampf Frischwasser zu erhitzen. Das abgekühlte Wasser leitete man früher einfach in die Lavafelder, wo sich die warme Brühe sammelte und nichts weiter damit geschah. Bis eines Tages in den 1980er-Jahren ein Werksmitarbeiter auf die Idee kam, darin zu baden. Der Rest ist eine beachtliche Erfolgsgeschichte: Man stellte fest, dass das Thermalwasser Menschen mit Hautkrankheiten guttut. So wurde die Lagune erst zum Heilbecken, dann zur Touristenattraktion.
    Und noch einem Zeichen von Islands Energie begegnet man gleich zu Beginn, kurz bevor man ins Hauptstadtgebiet kommt. Man fährt an einer türkisgrünen Fabrikanlage mit rot-weiß-gestreiften Silos vorbei. Es ist das älteste Aluminiumwerk der Insel, das es seit 1969 gibt. Schon bei meinem ersten Aufenthalt ist der Bau neuer Werke ein Reizthema in Island. Da die Produktion von Aluminium extrem viel Energie verbraucht, die Island im Überfluss hat, reißen sich ausländische Hersteller um Standorte auf der Insel. Und während die einen Einnahmequellen und Arbeitsplätze wittern, fürchten die anderen den Ausverkauf der Natur.

101 Reykjavík
    Kurz hinter der Aluminiumfabrik beginnt die Zivilisation. In der Lava tauchen Wohnsiedlungen auf. Der Bus fährt durch die Randgebiete von Reykjavík, die zum Teil eigene Städte sind. Wir fahren durch Hafnarfjörður (Hafenfjord), Garðabær (Wallgehöft) und Kópavogur (Kleine Bucht der Seehundjungen) bis wir Reykjavík erreichen. Eine Schönheit auf den zweiten Blick. Die Ausläufer sind ein eher eigenwilliges Konglomerat aus praktischen Betonbauten an breiten Straßen. Dafür ist die Innenstadt von Reykjavík sehr charmant.
    Die Wohnung, die ich beziehen soll, liegt mitten im Zentrum, im Bezirk »101 Reykjavík«, nach dem auch ein legendärer isländischer Film benannt ist. Er handelt von dem 28-jährigen Hlynur, der noch zu Hause bei seiner Mutter wohnt, nicht arbeitet, am liebsten Pornos guckt, sich durchs Reykjavíker Nachtleben schlägt und irgendwann versehentlich die Geliebte seiner Mutter schwängert. So viel als Vorgeschmack auf isländische Filme – und das Nachtleben.
    Meine Wohnung liegt im Dachgeschoss eines kleinen, grünen Hauses in der Nähe vom Hafen und wurde erst in der Nacht zuvor
fertig renoviert. »Das ist typisch für Island, alles auf den letzten Drücker zu machen«, sagt mein Vermieter, der eigentlich Norweger ist, sich in dieser Hinsicht aber offensichtlich gern angepasst hat. Im Winter vermietet er die Zimmer in dem Haus monatsweise an Studenten, im Sommer für einzelne Nächte an Touristen.
    Da meine Mitbewohner ausgeflogen sind, mache ich einen ersten Spaziergang durch die Stadt. Den schönsten Ausblick hat man vom Turm der Hallgrímskirkja aus. Man sieht die Kirche schon, wenn man
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