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Wo die Wasser sich finden australien2

Wo die Wasser sich finden australien2

Titel: Wo die Wasser sich finden australien2
Autoren: treasure
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An einem grauen Montagmorgen war sie davongefahren und hatte ihn zurückgelassen. Mit den Kindern und der Farm und diesem riesigen, dunklen Loch, das sein Leben war. Und natürlich mit dem Schweigen, das zurückgeblieben war.
    Harry ballte die Fäuste, während sein Leib in langsamen Wellen zu beben begann. Ein heiseres, aus seiner Lunge aufsteigendes Ausatmen verwandelte sich in ein erschütterndes Schluchzen. Er stemmte eine große Hand gegen den rissigen Türrahmen, um sich aufrecht zu halten, und schlug die andere vor die Augen, als könnte er dadurch seine Scham mildern. Die Scham, Rebecca so wehgetan zu haben. Die Scham, seine Söhne zu erdrücken.
    Er war dabei, seine Familie zu verlieren. Und sein Land dazu. Langsam stieg er die wacklige Vortreppe des Scherstalles hinunter und ließ sich auf der untersten Stufe nieder, den Kopf in die Hände gestützt. Aus dem dunklen Balkengitter darunter blickten ihn zwei verängstigte braune Augen an. Leise flüsterte er: »Hierher, Welpe. Komm her, Mardy. Tut mir leid, Kumpel.«

    Mick und Tom rasten auf dem verschlammten Quad auf die Pferche zu. Über Micks Schulter hinweg konnte Tom seinen Vater von Schafen umgeben im Laufgatter stehen sehen. Mick parkte das Quad im Schatten eines knorrigen alten Eukalyptusbaumes und wartete ab, bis Tom abgestiegen war. An der Art, wie sein Vater die Schafe behandelte, konnte Tom sehen, dass der Alte eine Stinklaune hatte.
    Mit gesenktem Kopf ging Tom auf das Ende des Laufgatters
zu und bückte sich, um die Schultergurte eines Drenchkanisters zu nehmen.
    »Kommst du durch, Dad?«
    »Ich wäre schon längst durch, wenn ihr beide früher aufgetaucht wärt.« Harry zwängte die Metalldüse der Drenchpistole in das Maul eines Schafes und schoss einen Strahl Entwurmungsmittel in den Rachen des Tieres. Die Schafzähne schlugen klappernd gegen die Düse, als Harry die Pistole wieder herauszog und vorwärts watete, um nach dem Kopf des nächsten Schafes zu greifen. Er sah seinen Sohn kein einziges Mal an, aber Tom hatte es dennoch bemerkt. Er hatte zu große Angst, als dass er gefragt hätte, warum die Augen seines Dads so rot waren und sein Gesicht so abgezehrt und grau wirkte. Er hätte gern gefragt: » Was ist mit dir, Dad?«, aber solche Fragen stellte man Harry nicht. Über das Wetter oder den Fluss oder die Woll- und Rindfleischpreise konnte Tom mit seinem Vater reden, aber ganz sicher nicht über Gefühle. Nicht mit Harry.
    Er schwang den Kanister auf seine breiten Schultern und ging an das Sortiertor am Ende des Laufgatters, um sich die Schafe vorzunehmen, die dort warteten. Er konnte kaum glauben, dass sein Vater geweint hatte. Das schockierte Tom.
    Mick lehnte am Geländer, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, und bekam nichts von der Laune seines Vaters mit. Mick hatte dem Vorbild seines Vaters nachgeeifert. Er setzte keine Worte, sondern lieber seine Größe und sein Gewicht ein, um Präsenz zu zeigen.
    »Wo steckt Bec? Die könnte die nächste Herde zusammentreiben, während ich mich ans Pflügen mache«, sagte Mick.
    »Die treibt heute nicht. Jetzt mach los. Bis du die nächste Herde reingebracht hast, sind wir mit denen hier durch.«
    Mick tat die barsche Bemerkung seines Vaters mit einem
Achselzucken ab und schlenderte zu seinem Quad zurück. Tom biss die Zähne zusammen. Sie hat wieder mit Dad gestritten, dachte Tom. Typisch.

    Tom musste bis nach dem Essen warten, bevor er nach seiner Schwester suchen konnte. In der Küche stopfte er sich einen trockenen Brotkanten in den Mund und stand vom Tisch auf. Sein Blick fiel auf seinen Vater und auf Mick.
    Mick saß zusammengesunken an dem schweren Holztisch, der mitten im Raum stand. Eine altmodische Holzuhr stand laut tickend auf dem Kaminsims hinter ihm. Das Pendel schwang hinter den goldenen Schilfstängeln, mit denen das Glas bemalt war, hin und her. Mick biss geräuschvoll in eine Karotte und ließ langsam kauend den Blick über die Fahrzeug-Kleinanzeigen in der Zeitung wandern.
    Seit Frankie in die Stadt gezogen war, verbrachte Harry nur noch wenig Zeit in der Küche. Früher hatte er meist dort gesessen, wo mittlerweile Mick saß. Stattdessen war Harry während der Mittagspause lieber in dem verglasten Wintergarten, der ans eine Ende der Küche angebaut worden war. Frankie hatte auf den Anbau bestanden, damit etwas Helligkeit in das alte Haus kam. Sie hatte das schon bei ihrer Hochzeit verlangt und den Anbau endlich durchgesetzt, als alle Kinder in der Schule waren und
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