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Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Titel: Wo Dein Herz Zu Hause Ist
Autoren: Anna McPartlin
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vergötterte ihren Zwillingsbruder. Er war alles, was sie nicht war. George zog in jedem Raum die Aufmerksamkeit auf sich, während Harri sich immer nur als Zuschauerin fühlte. Er war ein Abenteurer, war schon einmal rund um die Welt gereist, hatte die Sommer im Schnee und die Winter in der Sonne verbracht. Er surfte, fuhr Ski, tauchte und war ohnehin die reinste Sportskanone. Er machte sogar Paragliding, und zur Zeit überlegte er sich, ob er lernen sollte, Hubschrauber zu fliegen. Harri dagegen besaß überhaupt keinen Forschergeist. Sie wohnte in nächster Nähe ihres Elternhauses. Wenn sie in die Sonne ging, bekam sie Hitzepickel, und ihr Ausflug in dieWelt des Skisports hatte mit einem gebrochenen Handgelenk geendet. Er war sportlich, sie eine Leseratte. Er war lebhaft, sie war der ruhige Typ. Er war ein Leichtfuß, sie war eine Arbeiterin. Er war schwul, sie war hetero. Von ihrem dicken, welligen braunen Haar abgesehen, sahen sie sich nicht einmal ähnlich. Er war groß, sie war knapp über dem Durchschnitt. Er war muskulös, sie war eher zart. Er hatte ein kantiges Gesicht, ihres war oval. Sie unterschieden sich in fast jeder Hinsicht, und dennoch verstanden sie sich ohne Worte. Sie kannten sich und wussten alles über den anderen. George hätte alles für seine Schwester getan. Die Ryan-Zwillinge waren sich schon immer auf eine tiefe, kaum zu beschreibende Art und Weise nah.
    «Lass mich jetzt endlich, kleine Schwester», sagte George und machte sich los.
    «Ich bin älter als du!», sagte sie und lächelte.
    «Aber kleiner bist du trotzdem», erwiderte er grinsend.
    Und wirklich, das alles, der sonnige Morgen, das glitzernde Schmuckstück, das reichhaltige Frühstück, Glorias Einrichtungsgeschmack, ihre Liebe und Fürsorge für die nervöse Braut und George, der den verzogenen Jungen spielte – dieser Augenblick des Familienglücks war perfekt wie im Bilderbuch. Das Einzige, was Harri störte, war ihre bevorstehende Hochzeit.
    Ganz ruhig, Harri. Verdirb nicht den schönen Tag.
    Doch sie ahnte nicht, dass diese perfekte Familie an diesem perfekten Tag ein viel größeres Verhängnis erwartete.
     
    Das Kleid war ein bisschen zu eng, und von Monas wunderbarer Hochsteckfrisur bekam sie Kopfschmerzen, dochselbst Harri musste zugeben, dass Mona tolle Arbeit geleistet hatte – trotz eines gebrochenen Fingers.
    «Was ist denn passiert?»
    «Desmond ist passiert.»
    «Geht’s ein bisschen genauer?»
    «Ich hatte mal ein süßes Kind, das sich in einen Teenager verwandelte, und dann verwandelte sich dieser Teenager in eine echte Plage, die nichts dabei findet, ein Skateboard oben an der Treppe rumstehen zu lassen.»
    «Du kannst dich freuen, dass du dir nicht den Hals gebrochen hast.»
    «Nein,
er
kann sich freuen, dass ich ihm den Hals nicht umgedreht habe! Im Ernst, Harri, achte genau auf deine Empfängnisverhütung.»
    Harri mochte Mona. Sie war dafür bekannt, dass sie praktisch an allem herummaulte, tat das aber stets auf sehr unterhaltende Art. George nannte sie deswegen Maula statt Mona, aber das schien sie nicht zu stören.
    «Wow, das ist so süß, wie du über Kinder sprichst», flötete er, während er den Raum betrat.
    «Wolltest du mich darum bitten, dass ich mich um dein Haar kümmere?», fragte Mona, die schon lange nicht mehr auf seine Sticheleien einging.
    «Was stimmt denn nicht damit?»
    «Nichts, wenn du einen Fatzke aus dir machen willst.»
    «Eigentlich hatte ich vor, als Hugh Grant in
Vier Hochzeiten und ein Todesfall
zu gehen.» Er stand hinter ihr und begutachtete sich im Spiegel.
    «Na, den Look hast du ja hinbekommen, mein Lieber.»
    «Maula, du bist ein Miststück, aber ich mag dich trotzdem.»
    Er seufzte und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie waren im Wohnzimmer, wo Harri frisiert wurde.
    Dann hörte man Duncan auf dem Flur hüsteln, und gleich darauf kam er mit einem Fotoapparat herein. «Na ihr? Was?» Duncan sagte oft einfach so ‹Was?›, als habe ihm gerade jemand etwas ins Ohr geflüstert. Er war meistens guter Dinge, wenn er ‹Was?› sagte. «Du siehst fantastisch aus. Fantastisch.» Außerdem hatte er die Angewohnheit, sich zu wiederholen. «Meine Güte, du bist umwerfend. Ist sie nicht umwerfend?» Er drehte sich zu Mona und George um, die eifrig nickten. Das unbequeme Kleid schien immerhin ganz gut auszusehen. Duncan wirkte direkt gerührt, und seine Augen glänzten verdächtig. Um einen peinlichen Gefühlsausbruch zu verhindern, witzelte George, es sei wohl der
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