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Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Wo Dein Herz Zu Hause Ist

Titel: Wo Dein Herz Zu Hause Ist
Autoren: Anna McPartlin
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Lebens, von denen ihn sein neues Zuhause abschirmte, und so fand er bald sein Gleichgewicht. Außerdem liebte er Nana. Sie war wirklich eine Lady, aber auch zäh und schlagfertig und zudemein Ass im Schach. Die beiden lieferten sich Partien, die sich über einen Monat hinziehen konnten.
    Duncan war direkt nach der Schule in den Polizeidienst eingetreten. Damit setzte er eine Familientradition fort, die sein Vater und sein Großvater begründet hatten. Schon mit Anfang zwanzig war er in den Rang eines Detective aufgestiegen. Er hatte einige der schrecklichsten Kriminalfälle in der Geschichte Irlands bearbeitet. Harri hatte sich oft gefragt, wie er es fertig brachte, zu Hause all das Grausame auszublenden, dem er bei seiner Arbeit begegnete. Ihre Mutter behauptete, er putze es einfach zusammen mit dem Dreck von seinen Schuhen am Fußabstreifer ab, bevor er das Haus betrete.
    Nur ein einziges Mal hatte Harri ihren Vater weinen sehen. Damals war sie ungefähr zehn Jahre alt gewesen. Er hatte an seinem Schreibtisch in der Mansarde gesessen, und Harri hatte ein Tablett mit seinem Mittagessen in den Händen gehabt und deshalb nicht angeklopft. Er betrachtete ein Foto, und Tränen liefen ihm über die Wangen. Er schob das Foto in einen Aktenhefter und ging schnell ans Fenster, um sich die Tränen abzuwischen, die sie nicht sehen sollte. In Harris Elternhaus wurde nie viel über Probleme geredet. Duncans Beruf brachte es mit sich, dass er über vieles nicht sprechen durfte, und so war er auch in seinem Privatleben äußerst verschwiegen. Gloria war viel zu damenhaft und sensibel, um sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, und Nana war zwar weniger empfindsam gewesen, hatte aber ebenfalls nichts davon gehalten, sich mit lästigen Themen abzugeben. Und Gefühlsausbrüche konnten leicht lästig werden. Deshalb, so hatte sie einmal dekretiert, musste man seine Gefühle beherrschen. George und Harri wuchsen in einem Hausauf, in dem sich alles nur um die schönen und angenehmen Seiten des Lebens drehte. Man weinte nicht in diesem Haus, und deshalb tat Harri so, als hätte sie ihren Vater nicht weinen sehen. Aber noch Jahre später erinnerte sie sich manchmal, wenn sie die Augen schloss, an sein tränennasses Gesicht.
    «Es ist ein traumhafter Morgen», sagte Gloria und küsste ihre Tochter auf den Scheitel.
    «Das werde ich niemals essen können», sagte Harri und ließ ihren Blick über die riesige Frühstückslandschaft schweifen.
    «Das weiß ich doch, Liebling.» Gloria ging zum Bett, bückte sich und zog eine kleine blaue Schachtel darunter hervor. «Für dich», sagte sie lächelnd. «Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Schatz!»
    «Danke, Mum.» Harri strahlte. Mit dreißig freute sie sich immer noch wie ein kleines Kind über Geschenke. Sie öffnete die Schachtel und betrachtete beglückt den wunderschönen Anhänger im Art-déco-Stil. Wie Gloria liebte Harri Art déco. Duncan sagte immer, darin seien sie sich einig. Harri hielt den Anhänger gegen das Licht. Die aufwendig eingefassten Steine blitzten in der Sonne auf. «Der ist einmalig», sagte sie und umarmte ihre Mutter.
    George kam ins Zimmer und warf sich aufs Bett, noch bevor Harri ihrer Mutter einen Kuss gegeben hatte. «Und wo ist mein Geschenk, Mum?»
    «Unter deinem Bett.»
    «Ach», sagte er und seufzte enttäuscht.
    «Was stimmt denn daran nicht?»
    «Das ist zwei Stockwerke tiefer.»
    «Sei nicht so faul, Liebling, das sind schließlich nur ein paar Treppen, und kein Abstieg vom Mount Everest.»
    «Und was ist es?»
    «Das verrate ich dir nicht», sagte Gloria und lächelte.
    «Und wieso bekomme ich kein Frühstück in mein Zimmer serviert?», erkundigte er sich und fuhr sich durchs Haar.
    «Weil du nicht heiratest. Also, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, du Nervensäge. Und jetzt benimm dich wie ein erwachsener Mensch.» Sie nannte George oft ‹Nervensäge›, doch das meinte sie nicht ernst, denn in Wirklichkeit gefiel es ihr, wenn George den kleinen Jungen spielte. So hatte sie das Gefühl, gebraucht zu werden. «Meine Zwillinge», sagte sie lächelnd. «Jetzt seid ihr schon so erwachsen, aber für mich werdet ihr immer meine beiden Babys bleiben.» Das klang fast ein bisschen unheimlich, aber so meinte sie es natürlich nicht.
    George sprang auf und drückte Harri einen Kuss auf die Wange. «Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harri!»
    Sie hielt ihren Bruder fest umarmt. «Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, George!»
    Harri
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