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Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition)

Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition)

Titel: Wissenschaft und Demokratie (edition unseld) (German Edition)
Autoren: Michael Hagner
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professionellen Wissen und dem Wissen der Amateure zu betrachten. In der modernen, elitären Wissenswelt ist das Wissen weitgehend auf Gruppen ganztags beschäftigter Wissensarbeiter aufgeteilt, die ihrerseits in eine komplex verflochtene, nach innen gerichtete Welt von Disziplinen, Teildisziplinen und Forschungsgemeinschaften eingebettet sind. Im Bereich des Verhältnisses zwischen diesen ganztags beschäftigten Wissensarbeitern und ihren Freizeitpendants müssen wir die tragenden Elemente einer Wissensdemokratie finden oder vielmehr konstruieren. Dieses Verhältnis werde ich in drei Schritten analysieren: Erstens werde ich den Umfang der Wissenswelt der Amateure in den Vereinigten Staaten von heute skizzieren. Zweitens werde ich das Verhältnis untersuchen, das zwischen den Professionellen und den Amateuren zum Zeitpunkt ihrer Trennung bestand (das betrifft in den Vereinigten Staaten die zwanziger und dreißiger Jahre). Drittens werde ich mein Augenmerk auf das Problem der Wissensentfremdung richten. Dieses Phänomen ist in der Erfahrung der ganztags beschäftigten Wissensarbeiter das Haupterbe jener Aufspaltung. Abschließend werde ich die Hoffnungen thematisieren, die man im Hinblick auf eine Versöhnung des Wissens der Amateure und der professionellen Wissensarbeiter hegen kann.

    2. Amateurwissen in den Vereinigten Staaten von heute
    Werfen wir einen Blick auf das Amateurwissen dort draußen in der Welt der Nichtprofessionellen, so stellt sich die Frage nach dem Umfang des Amateurwissens in einer modernen Gesellschaft wie den USA . Betrachten wir das Alltagsgeschehen! Dem American Time Use Survey ( ATUS ) lassen sich einige recht zuverlässige und spezifische Zahlen entnehmen, denn diese Befragung basiert auf tagebuchartigen Zeitplänen für einen bestimmten Tag und bezieht sich auf eine für das ganze Land repräsentative und gewichtete Stichprobe. Laut der ATUS -Untersuchung von 2009 , an der über 13000 Befragte teilnahmen, gaben 20 Prozent an, daß sie am Stichtag über 30 Minuten mit Freizeitlektüre verbrachten. (Lesen am Computer wurde dabei nicht mitgezählt.) 14 Prozent lasen für eine Stunde oder länger, sechs Prozent sogar zwei Stunden oder länger. Diese Zahlen schließen natürlich Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre mit ein, andererseits jedoch keine Lektüre für den Schulunterricht oder das Hochschulstudium. Alles in allem belegen diese Zahlen ein hohes Maß an Freizeitlektüre. 20 Prozent der US -Bevölkerung über 15 sind immerhin 50 Millionen Menschen; und sechs Prozent – also die Gruppe, die am Stichtag zwei Stunden oder länger gelesen hat – entsprechen etwa 15 Millionen.
    Die Zahlen für andere Formen intellektuell anspruchsvoller Beschäftigungen sind kleiner, aber nicht minder überraschend. Hier wandle ich die Angaben in absolute Zahlen um, damit sie leichter zu vergleichen sind: 1 , 9 Millionen gingen am Stichtag einer kunstgewerblichen Beschäftigung nach; 1 , 5 Millionen wohnten einer künstlerischen Aufführung bei; 630000 besuchten ein Museum bzw. ein Freilichtmuseum oder sahen sich sonst eine Ausstellung an; 136000 kümmerten sich um ihre Briefmarken-, Münz- oder sonst eine Sammlung; 444000 fielen unter die Rubrik »Sonstige Hobbys« (also Dinge wie Ahnenforschung und Vogelbeobachtung) und 1 , 9 Millionen unter die Rubrik »Sonstige Kunstformen«. Verblüffend ist die Zahl derjenigen, die angaben, in ihrer Freizeit Geschichten, Tagebuch, Songtexte und dergleichen mehr zu schreiben, nämlich 361000 . Auch hier handelt es sich in einigen Fällen gewiß um professionelle Wissensarbeiter, die sich auch in ihrer Freizeit mit wissensrelevanten Dingen befassen. Aber egal, wie man diese Zahlen auch betrachten mag – es sind sehr hohe Zahlen.
    Die Untersuchung der Zeitschriftenabonnements ist ein weiterer Weg, auf dem man sich über das geistige Leben der Amateure informieren kann. Betrachten wir ausschließlich Zeitschriften, die nach Ulrich’s Periodicals Directory eine Auflage von mehr als 50000 Exemplaren haben, dann abonnieren etwa sieben Millionen Amerikaner eine der 19 wichtigsten literarischen oder politischen Zeitschriften. Etwa 2 , 6 Millionen beziehen eine der 13 wichtigsten allgemein zugänglichen Zeitschriften mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung, und etwa 1 , 5 Millionen eine der zwölf bedeutendsten historischen Zeitschriften. Das sind insgesamt ungefähr elf Millionen Abonnenten von 44 großen Zeitschriften. Die US -Bevölkerung über 20 beläuft sich auf etwa
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