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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Autoren: Hannah Beitzer
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Sondern um die Vorstellungen derjenigen, von denen überhaupt angenommen werden kann, dass sie sich über Wahlen hinaus für Politik interessieren und engagieren. Die oft, wenn auch nicht immer, schon als Elite geboren wurden, in die die Eltern Zeit, Geld und Aufmerksamkeit investiert haben. Diejenigen, denen genug Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben wurde, sich überhaupt zu Wort zu melden.
    Ehrlicherweise müsste ich jedes Mal schreiben: «die Leute in meinem Alter, die sich für Politik interessieren» oder «die Leute, die selbstbewusst genug sind, sich laut und deutlich mit ihren Forderungen nach vorne zu trauen» oder auch «die Leute, die die Öffentlichkeit gemeinhin für die Repräsentanten meiner Generation hält» oder «die Jungen, die was verändern wollen, die mit den Zuständen nicht zufrieden sind». Aber nie: alle Leute, die nach 1980 geboren wurden.

Plötzlich waren wir da
    Meine als stumm gescholtene Generation betrat die politische Bühne mit einem denkwürdigen Knall: Im Herbst 2011 zog die Piratenpartei überraschend ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Eine Partei, deren Mitglieder damals im Durchschnitt etwa 30  Jahre alt waren. Und die vor allem von noch jüngeren Menschen gewählt wurde. Und endlich war der Generationenkonflikt, der bisher nur unter der Oberfläche brodelte, im Politikbetrieb angekommen.
    Die Etablierten bestaunen seitdem die Neulinge wie exotische Tiere. Ihnen fiel jetzt erst so richtig auf, dass junge Leute durchaus in der Lage sind, ihre eigenen politischen Bewegungen zu gründen. Die Piraten waren dabei natürlich nie die Vertreter der gesamten Generation, viele von uns würden die Piraten nie wählen, weil sie doch zu technikfixiert und vor allem zu unbedarft sind, als dass man ihnen die Politik anvertrauen mag. Dennoch haben sie mit uns viel gemeinsam.
    Und dabei geht es nicht um das vielbeschriebene «flippige» Aussehen einiger ihrer Vertreter. Das elektrisierte eher die Alten, uns ist das eigentlich eher wurst. Als die Piraten auftauchten, kannten wir schließlich schon lange Christen, die in wallenden Hippie-Gewändern am Lagerfeuer Lieder sangen, Linke, die im schicken Anzug das erste juristische Staatsexamen ablegten, Banker, die in ihrer Freizeit mit Surfer-Kumpels kifften, und Unternehmensberater mit tätowierten Armen. Deswegen ist es uns auch ziemlich egal, wie Politiker aussehen – uns hat auch bisher am wenigsten ein gepiercter Abgeordneter gefehlt. Diese Fixierung auf das «andere» Aussehen der Piraten ist eher ein Ding der Älteren, der Etablierten, in deren Jugend sich daraus tatsächlich noch Rückschlüsse auf die politische Einstellung ziehen ließen.
    Wir fanden die Piraten damals aus ganz anderen Gründen spannend – sie sind uns außerdem in vielen Dingen ähnlich. Der digitale Wandel bestimmt schon rein jobtechnisch ihr Leben, viele von ihnen arbeiteten als Programmierer, IT -Administratoren oder in Start-ups. Genauso ist es mit vielen, die nach 1980 geboren wurden: In unserer Kindheit fanden die ersten riesenhaften Rechner die Wege in die meisten Elternhäuser, wir schrieben als erste Generation Klassenarbeiten auf dem Computer, entdeckten Power-Point-Präsentationen schon für lächerliche Schulreferate. Inzwischen können viele von uns besser auf einer Computertastatur tippen als mit der Hand schreiben.
    Und natürlich das Internet: Wir kannten uns damit von Anfang an besser aus als unsere Lehrer, kamen uns wahnsinnig klug vor, wenn wir Aufsätze aus dem Web kopierten und sie als unsere eigenen ausgaben. Selbst wenn die oft viel schlechter waren als alles, was wir selbst hingekriegt hätten. Wir durften nie wirklich lange fernsehen – doch auf Computerspiele reagierten unsere Eltern zunächst hilflos, sodass wir ganze Tage und Nächte durchzockten. Die Älteren von uns blockierten zunächst noch stundenlang die Telefone – die Jüngeren chatteten gleich online mit ihren Freunden.
    Das Geräusch, das regelmäßig aus dem Zimmer meiner kleinen Schwester in den Hausflur drang, war nicht etwa lauter Teenie-Pop oder Gekicher, sondern das enervierende Pling-Pling des damals wahnsinnig angesagten Nachrichtendienstes icq. Das Internet war wie eine eigene Welt, die sich vor unseren Augen auftat. Eine Welt ohne die Erwachsenen, die wir kannten. Hier waren wir unter uns, ja, mehr noch, wir waren die Königinnen und Könige – und sollten es bis heute bleiben.
    Von allen Parteien scheinen nun die Piraten die Möglichkeiten des Internets als
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