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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Autoren: Annette Schaefer
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Rettungsaktion konnten noch weitere Dinge geborgen werden, so auch eine kleine Kommode, ein Erbstück von seinen Ururgroßeltern aus Königsberg, an dem Wiezorek sehr hängt. Die meisten seiner Sachen gingen aber mit dem Abbruch des Hauses ein paar Tage später endgültig verloren. Neben den Büchern trauert er vor allem um Kindheitsmemorabilien: »Auf meine Rettungsliste habe ich außer den Arbeitssachen vor allem Dinge gesetzt, die für die Familie von Bedeutung sind, Erbstücke, Geschenke, die ich von den Eltern und von Verwandten bekam. Im Nachhinein wäre ich froh, ich hätte mehr Sachen aus meiner eigenen individuellen Geschichte.«
    Unfreiwilliger Verlust und seine Folgen
    Wie Robert Wiezorek ergeht es vielen Menschen, die Besitztümer plötzlich und unerwartet verlieren. Auf einmal schaut man seine Sachen mit ganz anderen Augen an. Im Alltag nehmen wir sie meist als selbstverständlich hin: Über den Sessel, auf dem wir abends so gerne sitzen, die Fotografien auf der Kommode oder die Bücher in den Schränken denken wir nicht viel nach. Klar, man verwendet eine Menge Zeit darauf, nach schicken Kleidern zu suchen oder das optimale Handy auszuwählen. Man stöhnt auch darüber, dass die Schränke überquellen und man es nicht schafft, alte oder ungenützte Sachen wegzugeben. Doch im Vergleich zu existenziellen Themen wie Liebe, Beruf, Krankheit oder Kinderkriegen scheinen unsere Habseligkeiten keines tiefer gehenden Gedankens würdig zu sein.
    Erst wenn die eigenen Sachen zerstört oder gestohlen werden, merkt man, wie sehr man an ihnen hängt und wie wichtig sie für unser Wohlbefinden und Selbstbild sind. Sicherlich ist materieller Verlust nicht mit dem Trauma zu vergleichen, das Menschen erleiden können, wenn sie in Lebensgefahr geraten oder eine geliebte Person unerwartet stirbt. Doch lieb gewonnene Sachen zu verlieren, kann eine äußerst schmerzliche Erfahrung sein und zu einer ernsthaften Sinn- und Identitätskrise führen.
    Wissenschaftler haben genau untersucht, welche psychologischen Folgen der unfreiwillige Verlust von Dingen mit sich bringt. Interviews mit Menschen wie Robert Wiezorek, denen Besitztümer auf dramatische Weise abhandengekommen sind, sei es bei Naturkatastrophen, Bränden oder Einbrüchen, zeigen, wie gravierend solche Erfahrungen sind. Zwar sind verheerende Naturkatastrophen in Deutschland im Vergleich zu anderen Erdregionen relativ selten. Dennoch verlieren auch hierzulande immer wieder viele tausend Menschen auf diese Weise Heim und Besitz. Dabei handelt es sich dann meist um Stürme (z. B. »Kyrill« im Jahr 2007 ) oder Überschwemmungen (wie die Rheinhochwasser von 1993 und 1995 oder die »Jahrhundertfluten« an Oder 1997 und Elbe 2002 und 2006 ), aber auch um Lawinen, Erdrutsche und Erdbeben. Dazu kommen Brände (ca. 180000 pro Jahr) und Diebstähle: Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2009 in Deutschland mehr als 113000 private Wohnungen und Häuser von Einbrechern besucht, gut 40000 Autos und 145000 Fahrräder gestohlen sowie 92500 Taschendiebstähle verübt. Das sind mehr als 1000 Eigentumsdelikte pro Tag.
    Die potenzielle Gefahr eines persönlichen Verlustes ist aber nicht der einzige und noch nicht einmal der hauptsächliche Grund, sich mit den Erfahrungen der Opfer zu befassen. Viel wichtiger ist: Aus den Studien zu Ausnahmesituationen kann man eine Menge über das alltägliche menschliche Verhältnis zu materiellen Objekten lernen. Für jeden, der sich ernsthaft für die Psychologie des Besitzes interessiert, sind diese Untersuchungen eine unbezahlbare Quelle. Denn wie eine Lupe lassen sie einen genauen Blick auf die faszinierende und komplexe Beziehung zwischen Menschen und ihren Dingen zu.
    1991 ereignete sich in den kalifornischen Gemeinden Oakland und Berkeley einer der größten Stadtbrände in der Geschichte der USA. Das Desaster begann eher unspektakulär. An einem warmen, windstillen Samstag entwickelte sich aus einem Buschbrand ein Feuer, das auf einer Fläche von fünf Hektar wütete und von den Rettungskräften mit Hilfe von zwölf Löschzügen und ein paar Helikoptern bekämpft wurde. Bis abends um sieben war der Brand gelöscht – dachte man zumindest.
    Am Sonntag setzte ein, was man in dieser Gegend diabolo wind (Teufelswind) nennt, eine heiße, trockene Brise aus dem Nordosten, die für den Herbst typisch ist. Das Feuer flammte wieder auf. Bei Windböen von bis zu 110 Stundenkilometern breitete es sich in rasender Geschwindigkeit aus. Die Flammen
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