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Wir sind nicht schwul (German Edition)

Wir sind nicht schwul (German Edition)

Titel: Wir sind nicht schwul (German Edition)
Autoren: Eireann Nóc
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angekündigt, weil man mich einfach immer mit Klassik in Verbindung gebracht hat, obwohl es ein Rockkonzert war. Dementsprechend fand ich das absolut falsche Zielpublikum im Saal vor, das zum Großteil geschockt den Raum verlassen hat, als sie mitbekamen haben, was das für ein Konzert war. Tragischer Weise wurde dieses Konzert aufgezeichnet. Ich möchte gar nicht wissen, wer das alles gesehen hat.
    Das Publikum war alles andere als begeistert und die Medien haben mich geradezu zerfleischt. Sie fühlten sich selbstverständlich verarscht, aber niemand wollte mir glauben, als ich gesagt habe, dass da wohl ein Missverständnis vorlag, denn ich hatte nie behauptet, ein klassisches Konzert zu geben. Danach wollte man mir nicht mehr so einfach einen Konzertraum zur Verfügung stellen, weshalb ich mich nicht weiter darum bemüht habe. Außerdem sind mir einige Sponsoren abgesprungen.

    Eingeloggt verabschiede ich mich von Hazel und verspreche ihr noch ein letztes Mal, dass ich mich melden werde, sobald ich kann. Außerdem hinterlasse ich noch Shiko, der Frau meines Spiel-Charakters, eine kurze Nachricht. Wenig später logge ich mich bereits wieder aus, drehe das Licht ab und schlüpfe unter meine Bettdecke. Alles andere als müde, ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf und versuche zu schlafen, obgleich alle fünf Minuten meine Augen auf die Anzeige der großen Uhr im Zimmer fallen.

    Dass ich kaum geschlafen habe, kann man mir am nächsten Morgen nur allzu gut ansehen. Mit dunklen Augenringen kugle ich vom Bett und hämmere mit der Hand auf den lästigen Wecker, den ich absichtlich am anderen Ende des Zimmers platziert habe, damit ich definitiv aufstehe. Meine Kaasan (das abartige Wort, das an einen verschimmelten Schweizer-Käse erinnert, verwende ich als Anrede für meine Mutter und ist, so nebenbei bemerkt, auch die Anrede, die Japaner für ihre Mutter verwenden) hatte mir zwar angeboten, mich zu wecken, doch bevor ich jemanden freiwillig in mein Zimmer lasse, stelle ich mir lieber gleich ein paar Wecker mehr.
    Noch bevor mir andere zuvor kommen können, schleppe ich mich ins Bad und nehme mir viel Zeit für eine Dusche. Kurz, nachdem ich den Duschhahn aufgedreht habe, klopft jemand an die Badezimmertür und ich muss nicht einmal nachfragen, um zu wissen, wer mich stört.
    Mein Bruder verkündet lautstark, dass das Bad nicht mir gehört und ich mich gefälligst beeilen soll, weil er einen Freund besuchen gehen möchte. Ich ignoriere ihn getrost, denn hätte er nicht bemerkt, dass ich im Bad bin, wäre er wohl nie auf die Idee gekommen, sich den Zahnbelag von den Zähnen schrubben zu wollen, geschweige denn sich zu duschen, bevor er zu seinem Freund geht. Normalerweise tut er das ja auch nicht. Er klopft noch eine ganze Weile genervt an die Tür, ehe er aufgibt.
    Gemächlich steige ich aus der Dusche und ziehe mir meine weißen Klamotten über. Wieder eine Bondage-Hose, an der so manche Bänder, Gürtel und Nieten befestigt sind und ein T-Shirt, das mit Strasssteinen beklebt ist und an etlichen Stellen kunstvolle Löcher aufweist. Prinzipiell kleide ich mich im Visual-Kei-Style. Wenn nicht in Weiß, dann in Schwarz. Ich liebe diesen Style! Er hat so etwas Kunstvolles, Freies an sich. Ich könnte mich nie in einer normalen Jeans, oder einem normalen Shirt wohlfühlen.
    Wer von euch jetzt schon seine Hausaufgaben erledigt- und bei Google nachgeschlagen hat, um heraus zu finden, was Visual-Kei ist und in seinem Aufsatz „Tokio Hotel“ erwähnt hat, bekommt eine glatte Fünf verpasst und muss die Hausaufgabe noch einmal machen. Mit denen hat das nämlich wenig zu tun. Die meisten J-Rock-Fans würden das wohl als glatte Beleidigung sehen. Die Typen sind nämlich genauso wenig japanisch-, wie Ramen.

    Gähnend kralle ich mir mein Make-up und mache mich zurecht. Vor allem, um die dunklen Augenringe zu verdecken. Ich schminke mich nicht, wie normalerweise, sonst bekommen diverse Alte im Flugzeug vielleicht noch einen Herzinfarkt und diesen Anblick wiederum möchte ich mir ersparen. Puder, Wimperntusche, fertig.
    Als ich mein Spiegelbild betrachte, muss ich aufs Neue feststellen, dass ich wohl immer noch wie ein 15-jähriges Mädchen aussehe, woran wohl hauptsächlich meine (vermutlich) koreanisch-japanisch-schwedische Abstammung schuld ist. Etwas Positives hat mein Aussehen allerdings durchaus. Mein Äußeres verwirrt so manche und führt dazu, dass Mädchen und Jungs gleichermaßen auf mich hereinfallen. Ich gebe gerne
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