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Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
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sondern gleich auf das Fenster zu.
    „Mutti – Muutiii!“ Stimme und Tonfall verrieten jahrelange Übung, in Wohnblöcken zu wohnen und sich das Treppensteigen zu sparen, wenn das Rufen denselben Erfolg haben kann. Mutti war gut erzogen. Sie erschien sofort am Fenster. „Mutti – hier ist ‘n Mädchen, die will mit dir reden. Sie kann so gut Blumen zurechtmachen!“
    „Was sagst du da, Hansi?“ Hansi war durch keinerlei Hemmungen belastet. Er wiederholte die Neuigkeit mit schallender Stimme. Jetzt tauchten eine Menge Köpfe an den verschiedenen Fenstern auf.
    Es war beinahe peinlich. Ich ging zu Hansi hinüber und stellte mich neben ihn unter das Fenster. In etwas deutlicheren Wendungen erklärte ich den Zusammenhang.
    Mutti war durchaus nicht ablehnend. „Aha – ja, habe ich nicht eine Reklamekarte von Ihnen bekommen? Bitte, kommen Sie doch rauf, da müssen wir mal sehen.“
    Mein Herz machte einen Sprung aus der Tiefe der grünen Hosen bis ganz zum Hals hinauf. Ich warf einen blitzschnellen Blick über die Hausfront. Ich durfte annehmen, daß mindestens fünfundzwanzig Köpfe hinter den Fensterscheiben dem Vorgang gefolgt waren.
    „Hallo, Fräulein! Kommen Sie hinterher auch zu mir rauf, ja? Aufgang G, dritter Stock rechts.“
    Schon an diesem ersten Tag konnte ich anfangen, psychologische Studien zu treiben. Die Frauenpsyche ist interessant. „So ein Ding muß ich auch haben“, ist einer ihrer hervorstechendsten Züge. In diesem Fall mußte man es abwandeln in „so ein Mädchen muß ich auch haben“. Denn tatsächlich war es so, daß, wenn die Dame im Aufgang G, dritter Stock rechts, ihre Pflanzen umtopfen ließ, auch die Dame im Aufgang G, dritter Stock links, es machen lassen mußte.
    Als die Uhr halb zwei und ich beim Aufgang H angelangt war, war meine Erde alle. Die Ablegertöpfe waren ebenfalls ausgegangen. Und an denen verdienten wir, Yvonne ebenso wie ich. Wir hatten uns die billigsten unglasierten Töpfe besorgt, die wir bekommen konnten, und dann hatte Yvonne sie verziert. Zwei Tage hatte sie gesessen und gemalt, und das Ergebnis war wirklich berückend. Wir verdienten jede fünfunddreißig Öre am Topf, und bis jetzt hatte ich dreißig Stück abgesetzt.
    Meine Fingerspitzen waren wund vom Graben, Pflanzen, Stecklinge abknipsen und Düngerstäbchen einstecken. Und der Hals tat mir weh von den vielen guten Ratschlägen, die ich gegeben hatte in bezug auf viel oder wenig Sonne und viel oder wenig Wasser und Wasser in den Untersatz oder Besprühen in der Badewanne. In der letzten Wohnung mußte ich bitten, einmal telefonieren zu dürfen. Ich läutete das Milchgeschäft an, bei dem Yvonne Kunde war, und bat, ihr auszurichten, daß ich zum Essen nicht nach Hause käme. Außerdem ließ ich ihr sagen, daß sie noch mehr Blumentöpfe bemalen solle.
    Ich legte fünfzig Öre in die Büchse und dankte. Die Dame, bei der ich im Augenblick war – eine junge reizende Frau – , hatte mein Telefongespräch mitangehört.
    „Das machen Sie übrigens gut“, lächelte sie, „wirklich eine großartige Idee! Sind Sie schon lange dabei?“
    Ich warfeinen Blick auf die Uhr. „Viereinhalb Stunden“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Wollen Sie damit sagen, dies sei Ihr erster Tag als – als Blumendoktor?“
    Das konnte ich nicht leugnen. „Dann sind Sie aber gleich fabelhaft reingekommen! Wissen Sie, das finde ich prachtvoll. Mögen Sie sich nicht einen Augenblick setzen? Ich wollte mir gerade Tee machen, wollen Sie eine Tasse mittrinken?“
    Ich konnte nicht widerstehen. Ich hatte einen Mordshunger.
    Die Unterhaltung ging leicht und spielend vonstatten, begleitet von dem Krachen herrlich knuspriger Semmeln. Hinterher bekam ich sogar eine Zigarette angeboten – und nun hatte sie mich gründlich ausgefragt. Aber schließlich – warum sollte ich denn nicht erzählen? Ich hatte nichts zu verbergen. Und da die Dame so viel Anteilnahme zeigte, würde sie mich vielleicht an ihre Freundinnen weiterempfehlen.
    Endlich stand ich auf, bedankte mich und ging. Rollte von dannen zum Gärtner und versah mich mit neuen Mengen von Erde.
    Dann kam ich zurück und erstürmte den Aufgang. Aber jetzt ging es langsamer voran. Die Hausfrauen waren beim Mittagkochen und hatten wenig Zeit, mich zu empfangen. Etliche baten mich aber, am nächsten Morgen wiederzukommen.
    Dann rollte ich beim Töpfereiwarenhändler vorbei und bestellte hundert Ablegertöpfe; beim Blumenhändler ließ ich mir neuen Blumendünger geben.
    Gegen
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