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Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
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allerlei abgekauft hatte. Ich erstand einen großen Kasten mit Kaktuserde und einen weiteren mit gewöhnlicher Blumenerde, die man mir auf den Gepäckträger meines Mofas stellte.
    Am nächsten Morgen um neun Uhr machte ich mich auf den Weg. Es war ein trüber und kalter Tag Ende März. Unter meinem grasgrünen Overall trug ich Wollhosen und eine dicke Strickjacke.
    Auf dem Gepäckträger standen ein grüner und ein roter Eimer, ferner ein Korb mit kleinen Blumentöpfen für Ableger und einigen Schachteln mit Pflanzendünger. Außerdem ein Kasten mit Erde. Ich hatte das Gefühl, ich könnte mit diesem Vorrat sämtliche Zimmerpflanzen der Stadt umsetzen.
    Im Hof eines großen, modernen Wohnblocks parkte ich mein Gefährt. Der Block war so groß, daß man beinahe das ganze Alphabet in Anwendung gebracht hatte, um die verschiedenen Eingänge zu bezeichnen.
    Rrrr!
    Ein verschlafenes Gesicht zeigte sich im Türspalt. Ich lächelte, krampfhaft. „Guten Morgen! Könnte ich die Frau des Hauses sprechen?“
    „Das bin ich. Worum handelt es sich?“
    „Ich möchte nur fragen, ob Ihre Topfblumen umgepflanzt werden sollen?“
    „Uff, was die Leute sich auch so alles ausdenken. Nein danke.“
    Die Tür knallte zu.
    Ich blieb einen Augenblick still stehen. Reckte mich, ging drei Schritte weiter. Klingelte an der Tür nebenan. „Guten Tag. Könnte ich die Frau des Hauses sprechen?“
    Das Gesicht eines etwa zwölf- bis vierzehnjährigen Mädchens sah mich fragend an und verschwand. Gleich darauf berichtete eine gellende Stimme nach drinnen: „Da steht so ‘ne komische Frau draußen in grünen Hosen, die will dich sprechen, Mama!“
    Das Herz sank mir tief in die Grünen, als die Mama sich im Türspalt einfand. Ich zog mechanisch die Mundwinkel hoch, während ich meine wohleinstudierte Frage vorbrachte.
    „Können Sie nicht lesen?“ erscholl es durch den Türspalt. „Das kann ich seit fünfzehn Jahren“, entgegnete ich etwas verständnislos.
    „Dann lesen Sie mal“, sagte die Frau und zeigte auf ein kleines Metallschildchen am Türrahmen. „Hier wird nichts an der Tür gekauft“, stand darauf.
    Ehe ich noch erklären konnte, daß ich nicht die Absicht hätte, etwas an der Tür zu verkaufen, sondern am Fenster, krachte die Tür auch schon zu.
    Da stand ich wieder. Die zweite Niederlage. Die dritte und die vierte folgten. Als ich mit schweren Schritten und noch schwererem Herzen zum dritten Stock hinaufstieg, warf ich zufällig einen Blick durch das Flurfenster auf den Hof.
    Ich entdeckte, daß die Kinder des Wohnblocks wie Fliegen über, auf, unter und um mein Führerscheinfreies schwirrten – großer Gott!
    Ich stürzte hinunter und trieb den Schwärm auseinander. Irgendwelcher Schaden war nicht entstanden, abgesehen von etlichen Fingerabdrücken. Die Kinder erkundigten sich aber und fragten nach technischen Einzelheiten. Welcher normale Junge zwischen vier und zwölf hätte kein Interesse für Mofas?
    Ein kleiner Dickwanst von ungefähr zehn Jahren war nicht abzuschütteln.
    Der Bengel war helle; es hatte den Anschein, als begreife er, was ich erklärte. „Warum hast du ‘n Lieferrad, du bist doch ‘n Mädel?“ fragte er zuletzt. „Weil es schneller geht, als wenn ich laufe.“
    „Mußt du denn so weit laufen?“
    „Ja, durch die ganze Stadt.“
    „Warum mußt du denn das?“
    „Weil ich alle Frauen, die in ihren Stuben Topfblumen haben, fragen muß, ob ich ihre Blumen umpflanzen soll.“
    „Hast du dafür die Erde mit?“
    „Ja, natürlich.“
    „Kommst du denn auch zu meiner Mutti?“
    Es hat seine Vorteile, wenn man in Sprichwörtern bewandert ist. Das für diesen Augenblick passende durchzuckte mich wie ein Blitz: „Wer das Kind für sich gewinnt, gewinnt der Mutter Herz.“ Warum sollte mir dieses wißbegierige und zutrauliche Kind nicht nützen?
    „Wenn deine Mutti es haben will, dann komme ich gern. Wo wohnst du denn?“
    „Da!“
    Ich folgte der Richtung seines rechten Zeigefingers, der deutliche Spuren zeigte, daß er das Mofa näher untersucht hatte! Und – oh, du Engelsgeschöpf! – er zeigte gerade auf ein Fenster, wo es von Kakteen wimmelte, wo dicke Begonien dicht vorm Aufblühen standen, wo ein übergroßer Zimmerefeu sozusagen rumkletterte.
    „Deine Mutter hat aber schöne Blumen“, sagte ich. „Du mußt sie mal fragen, ob ich sie ihr zurechtmachen soll.“
    Der kleine Kerl war sofort bereit. Er flitzte davon – nicht zum Aufgang K, zu dem das Blumenfenster zweifellos gehörte,
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