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Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
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geahnt hätte, wie aktuell das Problem für mich werden sollte!

Betriebskapital: ein Motorrad
     
     
    Mein Vater war der jüngste und Tante Beate die älteste von sechs Geschwistern gewesen. So waren denn die Pflegeeltern, zu denen ich nach dem Segelunglück kam, das meinem Vater und meiner Mutter das Leben kostete, ziemlich alt.
    „Ich habe es deinem Vater so oft gesagt“, jammerte Tante Beate. „Es nimmt noch ein schlimmes Ende mit dieser Segelei!“
    Zum erstenmal gab das Schicksal Tante Beate recht. Es nahm ein schlimmes Ende, wie es schlimmer gar nicht sein konnte. Da saß ich nun allein und ziemlich hilflos, gerade sechzehn Jahre alt.
    Onkel Mathias kam und holte mich. Es wurde nicht viel Federlesens gemacht. „Komm zu uns, mein Kind“, sagte Onkel Mathias. An seiner Schulter konnte ich mich ausweinen, und er half mir in meinem neuen Leben weiter.
    Später ist mir klargeworden, wie es zuging, daß ich zu Onkel Mathias und Tante Beate kam. „Natürlich nehmen wir das Mädel zu uns“, hat Onkel Mathias in seiner entschiedenen, aber gütigen Art gesagt.
    Tante Beate hatte sicher Einwände erhoben. „Es ist unsere Pflicht, Beate, das ist sonnenklar“, hat Onkel Mathias gesagt. „Alle deine anderen Geschwister haben selber Kinder und sind außerdem in alle Winde verstreut. Wir haben keine, und das Mädel ist niedlich und leicht zu gewinnen.“ (Das hat er bestimmt gesagt. Onkel Mathias und ich haben uns immer schrecklich gern gemocht.)
    Und dann hat Tante Beate geseufzt und eine leidende Miene aufgesetzt, und Onkel Mathias hat ihr auf die Backe geklopft und gesagt – denn er war ein großer Diplomat, dieser Onkel –: „Du mit deinem guten Herzen und deinem Pflichtgefühl, Beatchen.“
    Dann hat Tante Beate gelächelt und lieb dreingeschaut, denn Onkel Mathias konnte aus allen Menschen das Liebenswerte herauslocken. Aber dann hat sie sich verschlossen, aus Angst, ihre eigenen Gefühle zu verraten, und so etwa wie „Ja, selbstverständlich, Mathias, wenn du meinst, daß wir die Pflicht haben…“ gesagt.
    Dann schwang Onkel Mathias sich auf sein Motorrad und fuhr davon, um mich zu holen.
    Natürlich gab es allerlei Klippen zu überwinden. Und es kam nicht selten vor, daß ich in mein Kopfkissen heulte und fand, Tante Beate sei so ungerecht, ach, so ungerecht. Sie verstand auch nicht das kleinste bißchen. Alles war immer nur Pflicht und Alltag und Vorzüglichkeit und Engigkeit und noch mehr Pflicht. Mir kam es so vor, als sei Tante Beate von vornherein skeptisch gegen mich eingestellt.
    Onkel Mathias räumte mir viele, viele Hindernisse aus dem Wege. Er war es, der mit mir ging, wenn ich neue Kleider brauchte, und dafür sorgte, daß auch noch andere Gesichtspunkte berücksichtigt wurden als nur die Billigkeit und die Solidität. Onkel Mathias war es, der mir unvernünftige und höchst willkommene Dinge schenkte, er war es, der dafür sorgte, daß ich gleich nach dem Abitur für ein Jahr nach Deutschland fahren durfte.
    So allmählich ging es auch besser zwischen Tante Beate und mir. Das war hauptsächlich auf Kater Kille zurückzuführen.
    Wir waren in die Sommerfrische gefahren, und das teure Vieh mußte natürlich mit. Da ergab es sich denn, daß Kille – der seiner Herrin wie ein Hündchen folgte – auf den Landungssteg lief und ins Wasser fiel. Tante Beate schrie, als handelte es sich um ihr einziges Kind. Das war ja insofern auch der Fall. Ich zog mir das Kleid über den Kopf, sprang ins Wasser und fischte den Kater heraus. Er hätte es sicher auch allein geschafft, aber Tante Beate das klarzumachen…!
    Nach diesem Ereignis sah mich Tante Beate mit neuen Augen an. Ich hatte plötzlich Existenzberechtigung. Mein Leben wurde von Stund an leichter und angenehmer. Tante Beate fing an, mich um Rat zu fragen. Sie war begeistert, daß ich mich für Zimmerblumen interessierte, und unterwies mich mit Eifer. Und das Erstaunliche trat ein, nach kurzer Zeit war die Schülerin besser als die Lehrerin.
    Es ist nämlich mit der Blumenpflege wie mit dem Kochen. Ist einem der Sinn dafür nicht angeboren, dann hat alles keinen Zweck, und wenn man noch soviel lernt. Im Kochen habe ich es nie weiter gebracht, als Haferflockenkekse zu backen – das war nämlich für Onkel Mathias das höchste der Gefühle. Aber Blumen – die kann ich pflegen. Ich weiß nicht, wie ich es anstelle, ich ahne nicht, was mir sagt, wann eine Blume den oder den Dünger braucht und wieviel. Ich weiß es einfach nur, schlecht und
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