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Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter
Autoren: Rainer Holbe
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Nachbar ein hagerer, grimmiger alter Mann. Herr Glöckler* ermahnte wiederholt unsere Eltern, dass das Spielen im Hof und auf dem Trümmergelände strengstens verboten sei. Überdies wäre es auch lebensgefährlich.
    Wo aber hätten wir sonst unsere Sommer verbringen können, als in unserem geliebten Hinterhof? Also beschlossen wir, die Einwände des Herrn Glöckler zu ignorieren. Ich weiß nicht mehr, worüber er sich mehr aufgeregt hat: Über die totale Missachtung seines Verbots oder über die langen Nasen, die wir stets drehten, wenn wir ihm begegneten?
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    Jedenfalls lag eines Tages in den Briefkästen von fünf Elternpaaren ein Schreiben vom Amtsgericht, das uns von einer Klage des Herrn Glöckler in Kenntnis setzte. Der Streitwert betrug 25.000 Mark. Ein Haufen Geld, das uns als Strafe ruiniert hätte. Die Großmutter von Freddy war von der Klage ausgenommen, weil es bei ihr ohnehin nichts zu holen gab. Unsere Eltern taten sich zusammen, und mein Vater beauftragte einen Anwalt aus der alten Heimat mit der Wahrung unserer Interessen.
    Herr Czermak beantragte sogleich einen Lokaltermin bei Gericht, was heißt, dass die Herren Richter und der Anwalt zu uns in die Mörfelder Landstraße kommen würden. Im Kino hatte ich gesehen, dass solche Amtspersonen in würdevolle Talare gehüllt waren. Zu uns aber kamen sie in schlichten Knickerbockern und im Lodenmantel, eine Art Herrenmode, die damals Männer von Welt zu tragen pflegten.

    Zum angesagten Lokaltermin waren nicht nur alle Eltern versammelt, auch die ganze Rasselbande schwänzte die Schule, um einen guten Eindruck vor Gericht zu machen. Freddy trug zur Feier des Tages eine frische Windel. Herr Glöckler hatte wohl Angst vor dem Volkszorn und wurde von seinem Anwalt vertreten. Beide Rechtsanwälte begannen, die Lage zu schildern. Jeder natürlich völlig anders als der andere. In den Gesichtern der Herren Richter vermochte ich keine Reaktionen zu erkennen. Da ergriff ich meine Chance.
    Ich baute mich vor der angetretenen Staatsgewalt auf und hielt eine Ansprache: »Hohes Gericht«, rief ich. »Im Namen meiner Freunde bitte ich um ein gerechtes Urteil!«
    Dann schilderte ich Wort für Wort das Unrecht, das Herr Glöckler uns mit einem Spielverbot antun würde. »Wir brauchen den Hinterhof. Er ist unser Leben!« Dass mit dem »Hohen Gericht« hatte ich mal im Kino gesehen. Als ich geendet hatte, applaudierten nur meine Kumpel. Die Richter und Anwälte hielten sich mit Beifallskundgebungen zurück.
    Zwei Wochen später lag Post in unseren Briefkästen: »Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Die Klage wird abgewiesen. « Im Klartext: Wir durften weiter im Hinterhof spielen, und Herr Glöckler schäumte vor Wut. Vermute ich mal. Zwei Tage später stand in der Frankfurter Rundschau ein Artikel über uns im Lokalteil: »Gerechtigkeit für Kinder.« Na also, es ging doch!

Frühstück mit Schimpansen
    Als Schülerzeitungsredakteur unterwegs – und als Sklave bei Aida
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    Ich bin ein Zeitungsleser. Noch als wir im Sachsenhäuser Bunker wohnten, abonnierte mein Vater die Frankfurter Rundschau . Zeitungen hatten wegen des Papiermangels höchstens einen Umfang von sechs bis acht Seiten, sodass ich mir jedes gedruckte Wort zu Gemüte führen konnte. Von der Politik bis zum Sport – ich fühlte mich stets informiert. Meine Kumpel staunten nicht schlecht, als ich mir die Zeitung während der Sommerferien ins Schullandheim im Bayerischen Wald nachschicken ließ.
    Als ich zehn Jahre alt war und die Deutschherren-Schule besuchte, gründete ich mit ein paar Freunden die Schülerzeitung Im Blitzlicht.
    Wir schrieben die Texte auf der Schreibmaschine in sogenannte Matrizen, die in einen Vervielfältigungsapparat gespannt wurden. Das Gerät wurde mit einer Kurbel bedient und roch nach Spiritus. Im Blitzlicht – das Blatt erschien alle zwei Monate – war ein Erfolg. Es kostete zehn Pfennig, und manchmal hatten wir ein paar Anzeigen im Heft – vom Schreibwarengeschäft um die Ecke und von der Moha- Molkerei, die für die Schulspeisung zuständig war.
    Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte zu dieser Zeit mit Onkel Benjamin eine wöchentliche Kinderseite. Mit einer Ausgabe
des Blitzlichts als Referenz bewarb ich mich als freier Mitarbeiter. Verwirrt musste ich jedoch feststellen, dass Onkel
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