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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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der auch nur einen Bruchteil seines Vokabulars zum Einsatz bringen konnte. Komisch (und eigentlich ganz reizend), wie viel Adel und Proletariat gemein haben, wenn es um die ungeschminkten Tatsachen des Lebens geht. Ein netter Pflegevater aus der Mittelklasse wäre tiefrot angelaufen, aber Gerald brach in schallendes Gelächter aus und befasst sich seitdem recht viel mit dieser Schule. Er hat sich sogar als Schiedsrichter für ihr Sportfest am Ende des Schuljahrs angedient und ihnen für die Reitstunden ein Pony zur Verfügung gestellt.
    Also, meine Liebe, ich muss jetzt Schluss machen und mich gleich einer Abordnung des Landfrauenverbands widmen, die für polnische Flüchtlinge ein Krippenspiel auf die Beine stellen will, sehr lieb von ihnen, und wie es sich so fügt, wird an Weihnachten Vollmond sein, sodass wir bestimmt ein anständiges Publikum zusammenbekommen. Ich habe zugesagt, «Anna, eine Prophetin» zu spielen – mir war völlig entfallen, dass es so jemanden gab, und jetzt muss ich sie noch schnell nachschlagen, bevor die anderen kommen. Du merkst schon: Krieg hin, Krieg her, bei uns geht das Leben weiter, «wir in unserer Gegend scheren uns um keine Verdunklung», weil hier der Lichterglanz ja nie zu Hause war (liebes bisschen, Cornelia, wie würdet ihr in New York wohl mit einer Verdunklung umgehen?). Und was Kriege angeht – dieses Land hier ist sehr alt, und wir erinnern uns noch gut an so manchen.
    Dir und den deinen alles Liebe und die besten Wünsche zum Weihnachtsfest sendet dir deine treue alte Freundin Honoria Denver Harriet, Lady Peter Wimsey, an Lord Peter Wimsey, irgendwo im Ausland. (Auszug)

    Talboys, Paggleham,
bei Great Pagford, Hertfordshire
17. November 1939

    … Ich habe versucht, einen Artikel über Ziele des Krieges und Ziele des Friedens zu schreiben, auch wenn ich keineswegs davon überzeugt bin, dass ich mit der ganzen Definiererei nicht den Ratschluss verdunkle, so nach dem Motto «Mami, vielleicht könnte ich etwas verstehen, wenn du es nicht dauernd erklären würdest». Wir sind uns alle sehr bewusst, dass unsere Werte auf dem Spiel stehen, aber wenn wir sagen wollen, welche genau, kommt dabei nur ein Packen großer Worte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Ehre, Wahrheit usw. heraus, die uns peinlich berühren, weil sie so oft missbraucht worden sind, dass sie wie Wahlkampfphrasen klingen. Und überhaupt, dieses Wort «Frieden». Peter, die ewig wiederkehrende Forderung nach «dauerhaftem Frieden und stabiler Ordnung» jagt mir Angst ein – sie erinnert mich allzu sehr an den letzten «Krieg, um allen Krieg zu enden». Können wir uns denn immer noch einreden, es ließe sich ein endgültiges Arrangement für alles finden – Grenzziehungen, Wirtschaftsordnung, politischer Apparat –, das mit einem Federstrich Stabilität in die Beziehungen der Menschen bringt? Dass das Ganze ein altmodisches Happy End vorm Traualtar findet: «Und nach der Hochzeit lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage»? Dann sollte sich wohl mal ein Ibsen mit unserem öffentlichen Leben befassen. Lässt man die vergangenen zwanzig Jahre Revue passieren, wird deutlich, wie viele Gelegenheiten wir gehabt hätten, den heutigen Krieg zu verhindern – wäre da nicht unser starrsinniger Friedenswille gewesen. Die Formel hieß «Nie wieder», als sei «nie» ein Wort wie jedes andere. Man soll nie nie sagen. Nie wieder wollen wir in den Krieg ziehen, Abkommen sollen nur am Verhandlungstisch revidiert werden; nein, nie und nimmer wollen wir auch nur das Geringste revidieren, aus Angst, damit einen Krieg anzuzetteln; nie im Leben mischen wir uns in die Kriege anderer Völker ein, wir erhalten stets den Frieden: Wir haben den Frieden umworben wie der Hypochonder die Gesundheit – indem wir so lange darüber nachgegrübelt haben, bis es wirklich schlimm um uns stand. Kein Wunder, dass wir die Völkerbundakte nicht einhalten konnten, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Frieden zu schaffen, indem sie jedes lokale Unrecht zum Anlass für den totalen Krieg machte. Die Idee war entweder zu brutal oder zu hochfliegend, ich kann mich da nicht entscheiden. Aber auf jeden Fall falsch. Womit ich nur sagen will, dass keine Hoffnung auf Frieden besteht, solange wir nicht aufhören, davon zu sprechen. Diese Sicht der Dinge wird sich wohl kaum großer Beliebt heit erfreuen! Und nun sind wir also unter der Führung Neville Chamberlains in einen entsetzlichen Konflikt eingetreten, in der schwachen Hoffnung, dass er sich im
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