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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis
Autoren: Jules Verne
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geschäftlichen Lebens. Man erstaune nicht, wenn in den Straßen längs der Fußsteige Gras wächst. Die Bewohner sind größtenteils Soldaten. Man möchte behaupten, daß sie sich in einer im Belagerungszustand versetzten Stadt bewegen. Hie und da entrollt der Wind die stellenweise angebrachten seidenen Fahnen in den Nationalfarben und läßt sie aufflattern. Buda macht fast den Eindruck einer toten Stadt, während in dem gegenüberliegenden Pest das warme Leben pulsiert. Fast könnte man sagen, die Donau bilde hier die Scheidewand zwischen Vergangenheit und Zukunft.
    Buda kann sich aber außer dem Arsenal und mancher Kaserne mehrerer Paläste rühmen, die wohl des Ansehens wert sind. Ich habe mit einer gewissen Rührung seine alten Kirchen betrachtet, besonders die Kathedrale, die unter der Herrschaft der Osmanen in eine Moschee verwandelt wurde. Ich bin eine breite Straße entlang gewandert, deren Häuser nach orientalischem Muster erbaut und von Gittern umgeben waren. Ich bin in den Sälen des Rathauses gestanden, das von schwarz-gelb gestreiften Schranken eingeschlossen wird und ich habe ehrerbietig das Grab Gull-Babas betrachtet, zu dem die türkischen Pilger Wallfahrten unternehmen.
    Es ging mir aber nicht anders wie den meisten fremden Besuchern: Pest nahm den Löwenanteil meiner Zeit in Anspruch, obwohl ich dies keinesfalls als verlorene Zeit bezeichnen kann; zwei Tage sind wahrhaftig kaum genügend, der herrlichen ungarischen Hauptstadt die gebührende Ehre zu erweisen.
    Es ist jedem anzuraten, zuerst den im Süden Budas, am äußersten Ende des Vorortes Tarlan gelegenen Hügel zu erklimmen, um die Totalansicht der Schwesterstädte zu genießen. Man erblickt von hier die sich der Ufer entlang ziehenden Straßen von Pest, die schönen Plätze, die von öffentlichen und privaten Prachtbauten umgeben sind, welche dem besten architektonischen Geschmacke ihr Entstehen verdanken. So mancher Dom, mit reichen, goldenen Zieraten geschmückt, strebt mit seinen schlanken Türmen dem Himmel entgegen. Der Anblick der Stadt Pest ist überwältigend und nicht ohne Grund findet ihn so mancher großartiger als das Panorama, das Wien den Blicken darbietet.
    Die umgebende Landschaft ist mit zahlreichen Villen geschmückt; hier nimmt das ausgedehnte Rakos-Feld seinen Anfang, auf dem in vergangenen Zeiten der ungarische Adel seine stürmischen Versammlungen abhielt.
    Man darf auch nicht unterlassen, das Museum zu besuchen, die Gemälde und Skulpturen, die naturhistorischen Schätze, die prähistorischen Altertümer, die Inschriften, Münzen, die ethnographischen Sammlungen von großem Werte, die es enthält. Ferner muß man die Margarethen-Insel mit ihren Hainen und Wiesen, den Bädern, die von einer warmen Quelle gespeist werden, bewundern; der Volksgarten und das Stadtwäldchen sind gleichfalls sehenswert; letzteres zeichnet sich durch schattige Baumgruppen, Zelte und Spielplätze und einen kleinen Flußlauf aus, der von leichten Kähnen befahren werden kann; lebensfrohe Menschen tummeln sich in diesem Erholungsorte, zu Fuß und zu Pferde, und hier kann man den interessantesten Männer-und Frauentypen begegnen.
    Am Vorabende meiner Abreise trat ich in einen der ersten Gasthöfe ein, um mich für einige Augenblicke auszuruhen. Das Lieblingsgetränk der Magyaren – weißer Wein, der mit einem eisenhaltigen Wasser vermengt wird – hatte mich angenehm erfrischt und ich war eben im Begriffe, meine Forschungsreise durch die Stadt wieder aufzunehmen, als mein Blick auf eine aufgeschlagen daliegende Zeitung fiel. Ich nahm sie gedankenlos zur Hand und plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit von einer durch dicke, gotische Lettern in die Augen fallenden Überschrift gefesselt. »Otto Storitz’ Gedächtnisfeier« – las ich zu meinem Erstaunen.
    Das war doch der Name, welchen der Polizeileutnant erwähnt hatte, der Name des berühmten deutschen Alchimisten sowohl wie des abgewiesenen Freiers des Fräulein Myra Roderich. Jeder Zweifel war ausgeschlossen.
    Ich las folgendes:
    »In ungefähr zwanzig Tagen, am 25. Mai, wird in Spremberg Otto Storitz’ Todestag feierlich begangen Man kann mit Bestimmtheit voraussagen, daß die Bevölkerung an diesem Tage auf dem Kirchhofe der Vaterstadt des berühmten Gelehrten in großer Zahl erscheinen wird.
    Niemand hat vergessen. wie dieser ganz außergewöhnliche Mann zu Deutschlands Ruhm beigetragen hat durch seine staunenerregenden Entdeckungen, durch die ans Wunderbare streifenden Erfindungen auf
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