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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis
Autoren: Jules Verne
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wo das knarrende Geräusch der den Schotter der Straßen zermalmenden Räder mein einziges Schlummerlied bildete; aber gerade diese geräuschvolle Eintönigkeit wirkt oft besser einschläfernd als absolute Ruhe. Ich kam der Reihe nach durch Oos, Baden, Karlsruhe und mehrere andere Städte. Auch Stuttgart und Ulm in Württemberg, Augsburg und München in Bayern ließ ich hinter mir liegen. Nahe der österreichischen Grenze hielt ich mich etwas länger in Salzburg auf und endlich, am 25. April um sechs Uhr fünfunddreißig Minuten abends, blieben die dampfenden Pferde im Hofe des ersten Wiener Gasthofes stehen.
    Aber auch hier währte mein Aufenthalt nur sechsunddreißig Stunden. Ich gedachte diese berühmte Hauptstadt bei meiner Rückkehr genau zu besichtigen.
    Wien wird weder von der Donau durchschnitten noch von ihr begrenzt. Ich hatte fast eine Meile im Wagen zurückzulegen, um das Ufer des Stromes zu erreichen, dessen willfähriger Rücken mich bis Ragz tragen sollte.
    Schon am Vorabend hatte ich mir einen Platz in einem Warenschiffe, der »Dorothea«, gesichert, welches auch eingerichtet war, Passagiere an Bord zu nehmen. Ein buntes Treiben herrschte auf dem Fahrzeug, auf dem gar viele Nationen vertreten waren; Deutsche, Österreicher, Ungarn, Russen, Engländer. Den Passagieren war der rückwärtige Teil des Schiffes zur Verfügung gestellt, während die Waren im Vorderdeck verstaut waren, so daß daselbst niemand Platz finden konnte.
    Meine erste Sorge galt dem Lagerplatz für die Nacht in dem gemeinsamen Schlafraum. Aber ich sah bald die Unmöglichkeit ein, meinen Koffer hineinzuschaffen und mußte ihn auf Deck neben einer Bank stehen lassen, von der aus ich während der Reise ein wachsames Auge auf mein Eigentum haben wollte.
    Unter der doppelten Einwirkung der Strömung und eines frischen Windes glitt die »Dorothea« ziemlich rasch talwärts; ihr scharfer Kiel zerschnitt die gelblichen Wellen des schönen Stromes, dessen Wasser eher mit Ocker denn mit Ultramarin gefärbt erscheint – wenn auch die Legende vom Gegenteil berichtet. Wir begegneten zahlreichen Schiffen, die mit vollen Segeln dahinglitten und die Produkte des Landes weiterführten, das sich von beiden Ufern an in unabsehbarer Weite ins Innere hinein erstreckt. Auch an einem der riesigen Flöße kamen wir vorbei, die oft aus den Hölzern eines ganzen Waldes aufgebaut sind und auf denen schwimmende Dörfer errichtet werden, die bei der Abfahrt entstehen und bei der Ankunft zerstört werden; sie erinnern an die merkwürdigen brasilianischen »Jangadas« im Amazonenstrom. Dann folgte Insel auf Insel, die der Laune des Zufalles ihr Entstehen zu verdanken scheinen, so regellos sind sie hingesäet, große und kleine; viele ragen kaum über die Oberfläche empor und sind so flach, daß schon ein ganz geringes Steigen des Wasserspiegels sie überschwemmen würde. Sie boten einen gar erfreulichen Anblick, wie sie so frisch und grün, von Weiden und Pappeln umsäumt, aus den Wellen tauchten. Zwischen den feuchten Gräsern wuchsen viele Blumen in leuchtenden Farben.
    Auch mehrere Wasserdörfer passierten wir, die unmittelbar am Rande des Stromes erbaut sind. Fast hat es den Anschein, als ob der durch die Schiffe verursachte Wellengang sie auf ihren Pfählen erzittern lasse. Mehrmals mußten wir – auf die Gefahr hin, mit unserem Maste hängen zu bleiben – unter dem von der einen zur anderen Böschung gespannten Seil durchgleiten, an dem eine Plätte befestigt war, die mittels zweier Stangen fortbewegt wurde, deren jede mit einer Flagge in den Landesfarben geschmückt war.
    Während dieses Tages kamen wir an Fischamend und Riegelsbrunn vorbei und abends ging die »Dorothea« vor der Einmündung der March, eines aus Mähren kommenden linksseitigen Nebenflusses der Donau, vor Anker; wir waren schon ganz nahe der ungarischen Grenze. Hier verbrachten wir die Nacht vom 27. zum 28. April. Mit der Morgenröte wurde aufgebrochen und jetzt trug uns die rasche Strömung an den erinnerungsreichen Stätten vorüber, wo sich im 16. Jahrhundert Franzosen und Türken mit Todesverachtung bekämpften.
    Nach kurzen Aufenthalten in Petronell, Altenburg und Hainburg passierten wir die Ungarische Pforte, nachdem sich die Schiffsbrücke vor uns geöffnet hatte und bald darauf legte die »Dorothea« am Kai von Preßburg an.
     

    »Die Mitteilung ist sehr ernst zu nehmen.« (S. 13.)
     
    Die Manipulation der Waren machte eine Rast von vierundzwanzig Stunden nötig, deshalb
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